Gedenken an die rund 4.700 Opfer des Speziallagers Nr. 5
- Erschienen amKulturstaatssekretärin Ulrike Gutheil hat heute in Ketschendorf (Landkreis Oder-Spree) anlässlich der Gedenkveranstaltung der Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf zum 72. Jahrestag der Errichtung des sowjetischen Speziallagers Nr. 5 der zahlreichen Opfer gedacht. „Die Geschichte des Speziallagers ist eine Geschichte der Unterdrückung und der Verfolgung: Mehr als 10.000 Menschen wurden zwischen 1945 und 1947 in dem Speziallager unter schlimmsten Bedingungen inhaftiert, rund 4.700 von ihnen überlebten nicht. Darunter waren zum Teil NS-Täter und NS-Belastete – zum Teil aber auch Unschuldige und politisch Missliebige. Geständnisse wurden vom NKWD vielfach – zum Teil unter Folter – erzwungen, eine Überprüfung individueller Schuld fand nicht statt, Angehörige wurden nicht über Verbleib und Schicksal der Häftlinge informiert. Wir gedenken all jener, die in Ketschendorf gelitten haben und gestorben sind“, so Staatssekretärin Gutheil. „Der Gedenkort in Ketschendorf ist eine Stätte der Erinnerung und der historisch-politischen Bildung. Die Aktivitäten der Initiativgruppe und vieler engagierter Bürgerinnen und Bürger vor Ort tragen dazu bei, Geschichte für junge Menschen und zukünftige Generationen wachzuhalten. In diesen Tagen erinnern wir nicht nur der Errichtung der sowjetischen Speziallager, sondern auch der Befreiung der Konzentrationslager – diese Erinnerung ist gerade heute, vor dem Hintergrund der vielen Flüchtlinge, die vor Leid, Tod und Unterdrückung fliehen, eine Mahnung, sich gegen Unrecht zu wenden und Verfolgten zu helfen.“
Der sowjetische Geheimdienst NKWD errichtete ab Frühjahr 1945 in der sowjetischen Besatzungszone zehn Speziallager, in denen überwiegend deutsche Zivilisten interniert wurden. Grundlage der Einrichtung dieser Speziallager war der NKWD-Befehl 00315 vom 18. April 1945. Sein Ziel bestand in der „Säuberung des Hinterlandes der kämpfenden Truppen der Roten Armee von feindlichen Elementen“. Im Vergleich zur Praxis der alliierten Besatzungsmächte internierte der NKWD einen wesentlich größeren Personenkreis, den er auf der Grundlage dieses Befehls als ‘gefährlich‘ einstufte. Eine wesentliche Funktion der Lager bestand in der Durchsetzung des stalinistischen Herrschaftsanspruchs.
Das Speziallager Nr. 5 wurde Ende April 1945 auf dem Gelände einer früheren Arbeitersiedlung der Firma Deutsche Kabelwerke am Ortsrand von Ketschendorf errichtet. Es war das erste derartige Lager auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg. Bis zu seiner Auflösung im Februar 1947 wurden dort zeitweise mehr als 10.000 Personen ohne rechtsstaatliches Urteil unter katastrophalen Haftbedingungen inhaftiert, rund 4.700 von ihnen starben an Krankheit, Hunger, psychischer und physischer Entkräftung. Sie wurden zunächst in Massengräbern beerdigt und später auf den Waldfriedhof Halbe umgebettet. Bei den Inhaftierten handelte es sich um Kriegsgefangene der Russischen Befreiungsarmee, NS-Funktionsträger, Angehörige von Polizei, Justiz und Verwaltung, politisch Missliebige, willkürlich Denunzierte sowie mehr als 1.600 Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren. Bei der Auflösung des Lagers wurden die Internierten in andere Speziallager wie Buchenwald und Mühlberg transportiert. Danach wurden die Baracken abgerissen und das Gelände teilweise mit Wohnhäusern überbaut. Nach 1990 wurde in Ketschendorf eine Gedenkstätte für die Opfer errichtet. Seit 1991 kümmert sich der Verein Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf um den Erinnerungsort und arbeitet die Geschichte des Lagers auf.
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