Zwei der höchsten Europäischen Forschungspreise für das GFZ
- Erschienen am - PresemitteilungIm Rahmen von ERC-Synergy Grants erforscht das Projekt ROTTnROCK von Thomas Walter die innere „Verrottung“ von Vulkanen, das Projekt Archean Park, an dem Jens Kallmeyer beteiligt ist, Stoffwechselprozesse von Ur-Mikroben unter hohen CO2-Konzentrationen.
Mit Thomas Walter und Jens Kallmeyer haben gleich zwei Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ je einen prestigeträchtigen ERC-Synergy Grant eingeworben. Im Rahmen der beiden geförderten Projekte gehen insgesamt knapp sechs Millionen Euro an das GFZ. Damit ist das GFZ bei dieser EU-Förderlinie bereits zum zweiten Mal nach 2019 im Doppelpack erfolgreich. Mit „Synergy Grants“ fördert der Europäische Forschungsrat (European Research Council ERC) besonders ambitionierte Forschungsprojekte, die an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen liegen und daher die Kooperation verschiedener Forschungsteams erfordern. Nur etwa neun Prozent der in der aktuellen Auswahlrunde gestellten Förderanträge wurden bewilligt – insgesamt vergab der ERC heute 37 Synergy Grants; 24 davon gingen an deutsche Forschungseinrichtungen oder Universitäten.
Thomas Walter, Arbeitsgruppenleiter in Sektion 2.1 „Erdbeben- und Vulkanphysik“ und Professor an der Universität Potsdam, überzeugte mit seinem Projektantrag „ROTTnROCK“ über innere Verrottungsprozesse von Vulkanen. Er wird das Projekt federführend zusammen mit drei Kolleg:innen aus Schweden, Irland und Frankreich leiten. Das Projekt wird über 6 Jahre laufen und mit insgesamt 10 Mio. Euro gefördert, davon gehen 2,65 Mio. Euro ans GFZ.
Jens Kallmeyer, Arbeitsgruppenleiter in Sektion 3.7 „Geomikrobiologie“, ist einer von vier führenden Wissenschaftlern im erfolgreichen Projektantrag „Archean Park“. Das Projekt soll Einblicke in das Leben und den Stoffwechsel von Mikroorganismen auf der Ur-Erde vor 4 bis 2,5 Milliarden Jahren ermöglichen. Die Leitung des Projektes liegt bei Ivan Berg von der Universität Münster, beteiligt sind außerdem Alexander Probst von der Universität Duisburg-Essen und Kai-Uwe Hinrichs vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Das Projekt wird über 6 Jahre laufen und mit insgesamt 11,5 Mio. Euro gefördert, davon gehen 3,3 Mio. Euro ans GFZ.
Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle würdigt den doppelten Erfolg:
„Nicht einfach, sondern doppelt ausgezeichnet: Der Europäische Forschungsrat prämiert zwei Top-Wissenschaftler vom Potsdamer GeoForschungsZentrum mit diesjährigen ‘ERC Synergy Grants‘ – einem der bedeutendsten und begehrtesten europäischen Forschungspreise. Ich gratuliere Thomas Walter und Jens Kallmeyer herzlich zu diesem herausragenden Erfolg! Ihre exzellenten Forschungsarbeiten, ihre Leistungen und Kompetenzen haben die Jury überzeugt und sind ein Gewinn für den Wissenschaftsstandort Brandenburg. Thomas Walter untersucht Gesteinsveränderungen in Vulkanen, Jens Kallmeyer ist am Projekt Archean Park beteiligt, das Stoffwechselprozesse von Ur-Mikroben unter hohen CO2-Konzentrationen untersucht – spannende, spektakuläre Forschungsthemen, die auch den Europäischen Forschungsrat begeisterten und erneut zeigen: Wissenschaft in Brandenburg ist ausgezeichnet!“
Prof. Dr. Susanne Buiter, Wissenschaftliche Vorständin des GFZ, gratuliert:
„Ich freue mich sehr für Thomas Walter und Jens Kallmeyer und ihre Teams über diesen außerordentlichen Erfolg! Das ist auch eine Anerkennung für das GFZ als Teamplayer, denn der neuerliche Doppelerfolg zeigt: An unserem Zentrum schaffen wir Bedingungen für exzellente und relevante Forschung. In beiden Synergy Grants geht es um den Erhalt eines lebenswerten und sicheren Planeten: Ein besseres Verständnis elementarer Naturgewalten wie auch grundlegender mikrobieller Prozesse unter extremen Bedingungen und in ferner Vergangenheit sind dafür essentiell. Und dazu braucht es vielfältige wissenschaftliche Perspektiven, wie sie ein ERC-Synergy Grant zusammenführt.“
Zu den Projekten
ROTTnROCK – Thomas Walter
In seinem Projekt ROTTnROCK wird Thomas Walter mit seinen Kolleg:innen erforschen, wie Vulkane aufgrund der Hitze und aggressiver chemischer Prozesse quasi von innen heraus verrotten. „Diese sogenannte hydrothermale Alteration verändert die Festigkeit und die Permeabilität, also die Durchlässigkeit der Gesteine. Daher vermuten wir hierin eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass es trotz wissenschaftlicher und technischer Fortschritte bei der Überwachung von Vulkanen immer noch zu unerwarteten Ausbrüchen und ganzen Flankeneinbrüchen kommt“, sagt Projektleiter Thomas Walter. Die Forschenden wollen den Prozess der hydrothermalen Alteration im Detail verstehen, mit innovativen Drohnen und Satellitensensoren überwachen, im Labor simulieren und analysieren und in numerische Vorhersagemodelle einfließen lassen. „Unsere Forschung soll auch dazu beitragen, einen innovativen und optimierten Arbeitsablauf zur Gefahrenbewertung zu entwickeln.“
Hintergrund
Mehr als 10 Prozent der Weltbevölkerung sind durch die direkten Auswirkungen von Vulkanausbrüchen gefährdet. Die Überwachung von Vulkanen zielt darauf ab, vulkanische Gefahren zu erkennen und richtig zu interpretieren sowie frühzeitige und genaue Warnungen vor drohenden Ausbrüchen zu geben. Doch trotz technischer und wissenschaftlicher Fortschritte kommt es bei Vulkanen immer noch zu unerwarteten explosiven Ausbrüchen oder plötzlichen Flankeneinbrüchen. Jedes Jahr führen solche unvorhersehbaren Ereignisse zu vulkanischen Katastrophen, die unvorbereitete Gemeinden verwüsten und ungeschützte Infrastrukturen zerstören.
Frühere Arbeiten der beteiligten Forschenden deuten darauf hin, dass vulkanische Gefahren durch die sogenannte hydrothermale Alteration verursacht werden: Sie verändert den chemischen und physikalischen Zustand des Gesteins im Inneren eines Vulkans allmählich und unmerklich und schafft so ein weiches und instabiles – oder „verrottetes“ – Inneres. Wie diese Änderung in der Permeabilität und Festigkeit der Gesteine mit den bislang unvorhersehbaren vulkanischen Ereignissen zusammenhängt, ist jedoch rätselhaft.
Das Vorhaben im Detail
Das ROTTnROCK-Projekt zielt darauf ab, einen bahnbrechenden Fortschritt im Verständnis der hydrothermalen Alterationsprozesse zu erzielen, die im Inneren aktiver Vulkansysteme ablaufen. Konkret wollen die Teams herausfinden, wo und in welchen Größenordnungen die Alteration stattfindet, den chemischen Fingerabdruck der Alteration und die Auswirkungen auf die Gesteinseigenschaften und die Festigkeit mit Labormethoden erforschen und 4D-Simulationen der Vulkanstabilität und damit einen innovativen und optimierten Arbeitsablauf zur Gefahrenbewertung entwickeln.
Das ROTTnROCK-Projekt kombiniert innovative Ansätze aus traditionell unterschiedlichen geowissenschaftlichen Disziplinen (Fernerkundung, Mineralogie und Chemie, Felsmechanik und Modellierung).
„Dieses Projekt wird unser Verständnis der hydrothermalen Alteration und ihrer Auswirkungen auf die Vulkangefahr revolutionieren und den Weg für Strategien zur Vorhersage und Abschwächung unerwarteter vulkanischer Ereignisse, die durch hydrothermale Alteration verursacht werden, ebnen und Katastrophen an Vulkanen weltweit verhindern“,
so die Forschenden.
Geplanter Beitrag des GFZ
Die Arbeitsgruppe am GFZ wird präzise Vermessungen und Analysen der Struktur und Topographie der Vulkanlandschaften mittels Satelliten- und Drohnenfernerkundung durchführen, und mit geophysikalischen Daten vergleichen. Satellitenradar und Stereodaten helfen, Verformungen von Alterationszonen zu überwachen. Drohnen liefern dabei die notwendige Auflösung, um die Intensität, Art und die räumliche Abstufung der Alteration nachzuverfolgen. Dies erlaubt eine zielgenaue Beprobung. Die Gesteinsproben werden dann in Bezug auf ihre Zusammensetzung und mechanischen Eigenschaften in den Laboren der Partnerinstitute vermessen.
Organisatorisches
Zum vierköpfigen Gewinner-Team gehören neben Thomas Walter (GFZ), der die federführende Leitung hat, auch Valentin R. Troll (Uppsala University, Schweden), Michael J. Heap (Strasbourg Institute of Earth & Environment (ITES), Frankreich) und Claire E. Harpett (UCD School of Earth Sciences, University College Dublin, Irland).
Die Laufzeit beträgt sechs Jahre, die Fördersumme insgesamt 10 Mio. Euro, davon gehen 2,65 Mio. Euro ans GFZ.
Archean Park – Jens Kallmeyer
In dem Projekt „Archean Park“ wollen die Forschenden Einblicke in das Leben auf der Ur-Erde gewinnen und bislang unbekannte Stoffwechselwege aufdecken, die den Mikroorganismen vor 4 bis 2,5 Milliarden Jahren das Leben ermöglichten:
„Wir werden ein neues Licht auf die frühesten Formen der Kohlenstofffixierung werfen, indem wir ermitteln, inwieweit extrem hohe CO2-Konzentrationen die frühe zelluläre Biochemie und den mikrobiellen Kohlenstoffkreislauf beeinflusst haben. Hierfür werden wir unterirdische Ökosysteme wie Mofetten, Fumarolen und Geysire untersuchen, die mit ihrem besonders hohen CO2-Gehalt als Analoge für die ebenfalls unter sehr hohen CO2-Konzentrationen existierende archäische Biosphäre dienen. Und mit unserer GFZ-Expertise werden wir auch im Labor Hochdruck-Bedingungen schaffen, wie sie unter den extremen Bedingungen tief unter der Erde herrschen“,
so Jens Kallmeyer.
Im Ergebnis werden nicht nur neue Perspektiven auf grundlegende biochemische Mechanismen und ihre Rolle in der Evolution des mikrobiellen Lebens eröffnet. Das Projekt wird auch biotechnologische und geotechnologische Innovationen fördern, mit Anwendungspotenzial etwa im Bereich CO2-Speicherung.
Hintergrund
Zu Beginn der Erdgeschichte, im Archaikum (englisch: Archean Eon), herrschten völlig andere Bedingungen als heute: Die Erdatmosphäre enthielt keinen Sauerstoff, aber viel Kohlendioxid (CO2). Dennoch gab es Lebewesen, die damit zurechtkamen: Die ersten Mikroorganismen bauten aus CO2 Biomasse auf und nutzten dazu vermutlich chemische Energie – und nicht Licht wie heutige Pflanzen. Die Forschenden vermuten, dass CO2-reiche unterirdische Ökosysteme auch heute noch Mikroorganismen beherbergen, die extrem hohe CO2-Konzentrationen bevorzugen oder sogar benötigen. Relikte dieser alten Stoffwechselwege existieren möglicherweise auch noch bei verschiedenen bereits bekannten Mikroorganismen, sind zwar nicht mehr aktiv – aber möglicherweise durch entsprechende äußere Bedingungen wieder aktivierbar.
Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass extrem hohe CO2-Konzentrationen energetisch effiziente CO2-Fixierungswege begünstigen, was den Kohlenstoffkreislauf immens beeinflusst.
Das Vorhaben im Detail
Die Forschenden werden das mikrobielle Leben in CO2-reichen unterirdischen Umgebungen untersuchen und alte Stoffwechselwege aufklären, die durch den viel niedrigeren CO2-Gehalt der meisten modernen Umgebungen obsolet geworden sind.
Um unterirdisch lebende Mikroorganismen zu finden, wird die Expertise der Forschenden vom GFZ Potsdam benötigt. Sie sind auf tiefe Bohrungen spezialisiert und wollen unterirdische Gesteinsproben mit bislang unbekannten Mikroorganismen ans Tageslicht bringen. Die Forschenden der Universität Duisburg-Essen werden mit Hilfe von Untersuchungen des Erbguts (DNA und RNA) der Mikroorganismen Stoffwechselwege vorhersagen, während die Biogeochemiker:innen aus Bremen nach der molekularen Zusammensatzung der mikrobiellen Zellmembranen und Stoffwechselprodukten fahnden – unter anderem können sie dadurch Rückschlüsse auf den CO2-Stoffwechsel ziehen. Das Team der Universität Münster ist auf biochemische Untersuchungen spezialisiert und möchte die Stoffwechselwege entschlüsseln.
Bei den geplanten Arbeiten handelt es sich um Grundlagenforschung, die neue Erkenntnisse zum mikrobiellen Kohlenstoff-Kreislauf bringen soll. Die Forschungsergebnisse können jedoch auch biotechnologische und geotechnische Innovationen anregen, die bei der Biomasseproduktion durch Mikroorganismen oder bei Überlegungen zur Speicherung überschüssigen Kohlendioxids aus der Atmosphäre zum Tragen kommen könnten.
Der Beitrag des GFZ
Jens Kallmeyer ist mit seiner langjährigen Expertise im Bereich wissenschaftlicher Bohrungen zuständig für die Feldarbeiten und die Gewinnung von unkontaminierten Proben für mikrobiologische Analysen. Er bringt auch besondere Expertise bei der Quantifizierung von ultra-niedriger mikrobieller Aktivität durch Einsatz von radioaktiven Substraten ein.
Im Projekt sollen Proben unter extrem hohem Druck untersucht werden, um die Bedingungen im tiefen Untergrund zu simulieren. Die dazu nötigen Geräte werden am GFZ produziert. Hier gibt es nicht nur große Erfahrung im Bereich Hochdruck-Technik, sondern auch eine eigene Werkstatt zum Bau von Hochdruckanlagen, was in Deutschland und möglicherweise weltweit nahezu einmalig ist. Das Projekt erlaubt den Ausbau der Kapazitäten für mikrobiologische Hochdruck-Experimente am GFZ.
Organisatorisches
Zum vierköpfigen Gewinner-Team gehören neben dem Geomikrobiologen Dr. Jens Kallmeyer (GFZ), auch der Mikrobiologe Prof. Dr. Ivan Berg (Universität Münster), bei dem die oberste Projektleitung liegt, sowie der Mikrobiologe und Bioinformatiker Prof. Dr. Alexander Probst (Universität Duisburg-Essen) und der Geochemiker Prof. Dr. Kai-Uwe Hinrichs (Universität Bremen).
Das Projekt wird über 6 Jahre laufen und mit insgesamt 11,5 Mio. Euro gefördert, davon gehen 3,3 Mio. Euro ans GFZ.
Über die ERC Synergy Grants
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter Forschung. Der ERC fördert themenoffen exzellente Wissenschaftler:innen und ihre Teams mit bahnbrechenden Forschungsprojekten in verschiedenen Förderlinien für die jeweils passende Karrierestufe.
Mit den „Synergy Grants“ fördert der ERC Teams von zwei bis vier herausragenden Wissenschaftler:innen. Die Projekte sollen zu Entdeckungen an den Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen und zu substantiellen Fortschritten an den Grenzen des Wissens führen. Die Projekte sollen so ambitioniert sein, dass sie nur durch die Zusammenarbeit der benannten PIs (Principal Investigator – Hauptverantwortliche Wissenschaftler:in) möglich sind. Obergrenze der Förderung ist ein Betrag von rund 10 Mio. Euro bei einer Laufzeit von maximal 6 Jahren.
Abbildungen:
Abb. 1:
Prof. Dr. Thomas Walter (Foto: privat)
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Abb. 2:
Dr. Jens Kallmeyer, Porträt (Foto: privat)
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Abb. 3:
Dr. Jens Kallmeyer im Feld (Foto: privat)
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