Judith Zander erhält Fontane-Literaturpreis 2021 in Neuruppin
- Erschienen am - PresemitteilungKulturstaatssekretär Tobias Dünow hat heute gemeinsam mit dem Neuruppiner Bürgermeister Nico Ruhle und der Juryvorsitzenden Nadine Kreuzahler den Fontane-Literaturpreis an Judith Zander in der Kulturkirche Neuruppin übergeben. Von der unabhängigen Jury für den gemeinsamen Literaturpreis der Fontanestadt und des Landes Brandenburg wurde die Autorin Judith Zander mit ihrem Roman ‘Johnny Ohneland‘ ausgewählt.
Der mit 40.000 Euro dotierte Fontane-Literaturpreis wird in Würdigung Theodor Fontanes als 24-monatiges Stipendium an Autor*innen verliehen, die mit einem Werk erstmalig herausragendes öffentliches Interesse gefunden haben. Der Preis soll sie dabei unterstützen, diesen Weg erfolgreich fortzusetzen.
Die musikalische Begleitung der Veranstaltung übernahm Katharina Franck. Ihre Band Rainbirds wird im Werk ‘Johnny Ohneland‘ erwähnt. Die Laudatio auf Judith Zander hielt Denis Scheck, der ‘Johnny Ohneland‘ bereits in seiner Sendung ‘Druckfrisch‘ und weiteren Formaten hoch gelobt hat.
Neben dem Stipendiengeld erhielt Judith Zander, wie bereits Ihre Preisträgervorgängerin Dr. Peggy Mädler, ein exklusives Schreibset von Cleo Skribent und eine Urkunde. Zudem organisiert das Brandenburgische Literaturbüro eine Lesereise durch das Land Brandenburg. Die erste Lesung findet am Folgetag der Preisverleihung, am 21. August, um 15.00 Uhr, im Rahmen des Europäischen Reiseliteraturfestivals ‘Neben der Spur‘ der Fontane-Festspiele Neuruppin statt. Mit der Preisverleihung werden die diesjährigen Festspiele vom 20. August bis 11. September 2021 eröffnet.
Brandenburgs Kulturstaatssekretär Tobias Dünow:
„‘Johnny Ohneland‘ ist ein faszinierender Roman einer ostdeutschen Autorin: Judith Zander erzählt von einer Identitätssuche, die auch durchs geteilte Deutschland führt. Das Buch zieht einen tief hinein in die Erfahrungswelt eines sexuell nicht festgelegten Menschen – und thematisiert den DDR-Hintergrund der Hauptperson ohne die üblichen Klischees und Blaupausen. Judith Zander lädt dazu ein, unbekannte Universen zu erkunden und bekannte Welten neu zu entdecken. Ich finde: Sie ist eine großartige Fontane-Literaturpreisträgerin“, so Tobias Dünow. „Und natürlich kommt einer der am höchsten dotierten Literaturpreise Deutschlands von hier: Denn Brandenburg ist Literaturland. Der Fontane-Literaturpreis trägt nicht nur den Namen eines Autors, der mit der Mark und den Märkern eng verbunden war – sondern dessen größter Wunsch es war, vom Schreiben leben zu können. Und der wusste, wie schwer das manchmal ist. Mit dem Preis möchten wir begabten zeitgenössischen Autorinnen und Autoren mit ersten erfolgreichen Veröffentlichungen ermöglichen, sich zwei Jahre lang nur dem Schreiben zu widmen und die Literatur zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen. Die damit verknüpfte Lesereise als Teil des Stipendiums erinnert an Fontanes Reisen – und bietet vielleicht Inspiration für neue Werke. Der Preis steht für Kreativität, ‘Made in Brandenburg‘.“
Nico Ruhle, Bürgermeister der Fontanestadt Neuruppin:
„Ich gratuliere sehr herzlich Judith Zander zum Fontane-Literaturpreis 2021! Sie tritt damit in die lange Reihe hochkarätiger Autor*innen seit 1913, u.a. mit Alfred Döblin, Peter Huchel, Uwe Johnson, Arno Schmidt, Günter Grass, Wolf Biermann, Günter de Bruyn, Lutz Seiler und zuletzt 2019 Dr. Peggy Mädler. Dass die unabhängige Jury um die Vorsitzende Nadine Kreuzahler die richtige Wahl getroffen hat, untermauert auch das Aufenthaltsstipendium der Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Judith Zander wird ab September in der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo ihren 10-monatigen Aufenthalt antreten. Auch mit der inhaltlichen Neuausrichtung des Preises als Zukunftspreis lag die Jury richtig. Für den 16. Februar 2022 ist der Gedichtband ‘im ländchen sommer im winter zur see‘ angekündigt“, so Ruhle. „Judith Zanders Werk ‘Johnny Ohneland‘ beweist eine sprachliche Tiefe, die mir viel Aufmerksamkeit abverlangt hat. Mit der Wahl des „du“ hat sie mich unweigerlich hineingezogen in ihre Perspektive. Und es lohnt sich! Die Fragen zur persönlichen Identität, heimatlichen Verbundenheit und Provinz sind allesamt Gegenwartsthemen, die ungewollt aktuell sind. Ich wünsche Frau Zander weiterhin viel Erfolg und mit dem Stipendium die nötige Leichtigkeit für weitere Veröffentlichungen. Mit der heutigen Preisverleihung werden ebenso die Fontane-Festspiele 2021 eröffnet, deren erste Lesung morgen die Preisträgerin übernimmt. Ich hoffe sehr, dass die Gäste und Veranstalter*innen trotz der bekannten Umstände die schöne Atmosphäre unserer Fontanestadt mit Kunst und Kultur genießen werden.“
Judith Zander wurde 1980 in Anklam geboren und lebt heute in Jüterbog (Landkreis Teltow-Fläming). Sie studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte in Greifswald, danach am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie arbeitet als Übersetzerin und veröffentlicht Lyrik und Prosa. Für ihre Werke wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 3sat-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs sowie dem Uwe-Johnson-Förderpreis. Ihr erster Roman ‘Dinge, die wir heute sagten‘ stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Zuletzt erschien im August 2020 bei dtv ihr Roman ‘Johnny Ohneland‘: Joana Wolkenzin weiß früh, dass sie anders ist. Sie liest stundenlang, verliebt sich in Jungs und in Mädchen. Im vorpommerschen Niemandsland der Neunziger gibt sie sich einen neuen Namen: Johnny. Als die Mutter über Nacht die Familie verlässt, macht Johnny sich auf die Suche nach einem Leben, das ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Dabei ist sie oft einsam und immer wieder kompliziert verliebt in Menschen, die sich wie sie zwischen den Geschlechtern aufhalten. Die erste richtige Liebesgeschichte mit einem Studenten aus Luxemburg endet abrupt, als er seine Abreise und den Wunsch, mit einem echten Jungen zusammen zu sein, ankündigt.
Jurybegründung: In Form einer sich über mehr als 500 Seiten erstreckenden Selbstbefragung in der zweiten Person spürt die Autorin Judith Zander Themen wie Identität, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung nach. Sie erzählt eine Geschichte über das Glück und Unglück, die Lust und die Last des Dazwischen und des Uneindeutigseins. ‘Johnny Ohneland‘ strotzt vor literarischer Kraft und Intensität und ist ein Tagebau an aufgeworfenen Erinnerungen, ein Werk auch, das den Akt des Erzählens und des Sich-Erinnerns selbst nachfühlbar in Form gegossen hat. In ihm sind lauter Schätze zu heben, Schätze wie dieser Satz: „Das Leben aber ist so, dass man es ohne Verwandlung in Geschichten kaum aushielte, deren Existenz einen erst recht das Leben vor Verwandlung in eine Geschichte kaum aushalten lässt.“
Zur Jury gehören:
- Nadine Kreuzahler (Juryvorsitzende, freie Autorin, Reporterin, Redakteurin des rbb-Inforadio-Formats ‘Starke Sätze – Literatur im Inforadio‘)
- Prof. Dr. Roland Berbig (Vorsitzender der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.)
- Carmen Winter (Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der ver.di, Diplom-Germanistin, Autorin, Dozentin)
- Dr. Peggy Mädler (Dramaturgin, Regisseurin und Schriftstellerin, Preisträgerin des Fontane-Literaturpreises 2019)
- Johanna Hahn (Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg e.V.)
Der Fontane-Literaturpreis des Landes Brandenburg und der Fontanestadt Neuruppin hat mehrere Vorgänger. Er wurde erstmals von 1913 bis 1922 vergeben, unter anderen an Annette Kolb, Leonhard Frank, Carl Sternheim und Alfred Döblin. Nach 1949 gab es zwei Fontane-Preise: Den Westberliner Preis erhielten unter anderen Hermann Kasack, Peter Huchel, Uwe Johnson, Arno Schmidt, Günter Grass, Wolf Biermann und Wolfgang Hilbig. Der Preis des DDR-Bezirks Potsdam ging beispielsweise an Walter Kaufmann, Christa Wolf und Helga Schütz. Im Jahr 1994 wurde der Fontane-Literaturpreis von Theodor Fontanes Geburtsstadt Neuruppin neu gestiftet, seit 2010 wurde er im Zwei-Jahres-Rhythmus mit Unterstützung des Mäzens Dr. Hans E. Weber vergeben. Zu den Preisträger*innen gehörten etwa Lutz Seiler, Moritz von Uslar, Christoph Ransmayr und Josef Bierbichler. Im Jahr 2019 wurde der Fontane-Literaturpreis erstmalig gemeinsam durch die Fontanestadt Neuruppin und das Land Brandenburg an die Autorin Dr. Peggy Mädler verliehen. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben.
Das Literaturland Brandenburg hat eine reiche Literaturgeschichte und eine lebendige Gegenwartsliteratur. Dazu zählen ‘klassische‘ Autor*innen, wie Heinrich von Kleist, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Bettina und Achim von Arnim, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Peter Huchel und Eva Strittmatter, ebenso wie die zeitgenössischen Schriftsteller*innen Lutz Seiler, Antje Rávic Strubel, Julia Schoch und Juli Zeh. Das Land unterstützt das literarische Leben mit rund 1,7 Millionen Euro jährlich. Gefördert werden sowohl Autor*innen mit Stipendien und Preisen als auch überregional wirksame Vereine und Netzwerke wie der Brandenburgische Literaturrat, das Brandenburgische Literaturbüro Potsdam, die Fontane Festspiele und das Literaturfestival LIT:potsdam. Auch literarische Gedenkstätten werden unterstützt: Das Land finanziert das Theodor-Fontane-Archiv an der Universität Potsdam sowie – gemeinsam mit der Stadt und dem Bund – das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) und fördert zudem unter anderem das Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner, das Peter-Huchel-Haus in Wilhelmshorst und das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum in Rheinsberg.
Weitere Informationen:
www.fontanepreis.de
www.fontane-festspiele.com