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Provenienzforschung: Pilotprojekt zur Digitalisierung

- Erschienen am 17.11.2020 - Pressemitteilung 316
BLHA - Digitalisierung NS Akten ©BLHA

Im Rahmen eines mit rund 3,6 Millionen Euro geförderten Pilotprojekts wird das Brandenburgische Landeshauptarchiv (BLHA) die ca. 42.000 Akten der NS-Vermögensverwertungsstelle Berlin-Brandenburg restauratorisch sichern und für Forschung und Öffentlichkeit digital zugänglich machen. Parallel zu einer systematischen elektronischen Erschließung soll die wissenschaftliche Auswertung der historischen Unterlagen Aufklärung über den Entzug und Verbleib von Kulturgut leisten, das im Zuge der NS-Verfolgung beschlagnahmt wurde.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) finanzieren das Projekt gemeinsam. Mit rund 3,3 Millionen Euro trägt die BKM den größten Anteil der Förderung. Initiator des Projekts war die Moses-Mendelssohn-Stiftung mit ihrem Vorsitzenden Professor Dr. Julius H. Schoeps.

Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters erklärt:

„Auch mehr als 75 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur hat für mich die Erforschung der Provenienz geraubter Kulturgüter weiterhin höchste Priorität. Der Erhalt des historisch bedeutsamen Akten-Bestandes beim Brandenburgischen Landeshauptarchiv sowie seine Digitalisierung und wissenschaftliche Auswertung sind ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung und zur Erinnerungskultur. Es ist und bleibt unsere historische Verantwortung, die menschlichen Schicksale hinter den Kunstwerken und Akten zu zeigen und die Provenienzforschung nach Kräften zu unterstützen. Dafür müssen wir auch neue technologische Möglichkeiten nutzen. Deshalb ermöglichen wir dieses Pilotprojekt.“

Brandenburgs Kulturministerin Dr. Manja Schüle:

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv bewahrt umfangreiche Zeugnisse unserer Geschichte. Es ist nicht nur das Gedächtnis unseres Landes, sondern zugleich wichtige Quelle für das Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart – und kann ein wichtiger Wegweiser für die Gestaltung unserer Zukunft sein. Voraussetzung dafür ist der freie Zugang zu Daten und Wissen. Hier ist das Landeshauptarchiv bereits hervorragend aufgestellt: Es hat unter den deutschen Landesarchiven die zweithöchste Quote online recherchierbarer Unterlagen. Und es hat in einer beispielhaften Kooperation mit dem United States Holocaust Museum Washington bereits ausgewählte Akten aus der NS-Zeit digitalisiert. Mit dem aktuellen Projekt stärken wir das Landeshauptarchiv bei der Digitalisierung seiner Bestände – und leisten einen wichtigen Beitrag zur weiteren Aufarbeitung der NS-Diktatur.“

Neben den für die Provenienzforschung wichtigen Informationen zum NS-Kunstraub und zu heutigen Standorten entzogenen Kulturguts enthalten die in Potsdam vorhandenen Verwaltungsakten der sogenannten Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg oft auch letzte Hinweise zum Verfolgungsschicksal der Deportierten und Ermordeten. Sie sind für Angehörige, Rechtsnachfolger und die Wissenschaft weltweit von Bedeutung.

Dr. Irena Strelow, Leiterin der Provenienzforschung im Brandenburgischen Landeshauptarchiv:

„Für die Provenienzforschung sind insbesondere die in den Akten überlieferten Profiteure des nationalsozialistischen Kunstraubes bedeutsam, die in den Zusammenhang mit heutigen öffentlichen Institutionen gebracht werden können. Sie sollen durch eine elektronische Fallsuche ermittelt werden. Die Ergebnisse können helfen, Provenienz-Lücken in öffentlichen Einrichtungen zu schließen, in deren Beständen NS-Raubkunst zu vermuten ist. Aus meiner Sicht ist die Aufdeckung systematischer Strukturen bei der Verwertung jüdischen Eigentums der wichtigste Beitrag für die Provenienzforschung.“

Die rund 2,4 Millionen Aktenseiten des Bestandes müssen zunächst begutachtet, gereinigt, gegebenenfalls restauriert und anschließend digitalisiert werden. In Zusammenarbeit mit der Provenienzforschung im Landeshauptarchiv entwickeln IT-Experten eine Anwendung, mit deren Hilfe die digitalisierten Unterlagen themenorientiert elektronisch ausgewertet werden. Die durch die Auswertung und wissenschaftliche Provenienzforschung erarbeiteten Ergebnisse werden an die Rechtsnachfolger der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung – soweit bekannt – und an diejenigen öffentlichen Einrichtungen und Museen weitergegeben, die nach Aktenlage Kunstobjekte aus ehemaligem jüdischem Besitz erworben haben.

Ein weiteres Ziel ist es, die Ergebnisse und Quellen einer breiten Öffentlichkeit zur wissenschaftlichen Nachnutzung zugänglich zu machen. Forscherinnen und Forscher sollen zukünftig mit diesem für die Holocaust-Forschung zentralen Bestand arbeiten können, ohne dafür nach Potsdam in den Lesesaal des Landeshauptarchivs reisen zu müssen. Das Projekt soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein.

„Mit diesem Projekt sichern wir nicht nur einen international bedeutenden Quellenbestand des Archivs. Wir bewahren die Erinnerung an zehntausende Menschen“,

so Prof. Mario Glauert, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs.

„Die elektronische Bereitstellung und Analyse der Akten wird spannende Zugänge für eine Forschung mit digitalen Werkzeugen eröffnen. Das Pilotprojekt entwickelt interdisziplinäre Methoden, die für viele weitere Aktenbestände der NS-Zeit genutzt werden können.“

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv ist das zentrale staatliche Archiv des Landes Brandenburg. Als Gedächtnis des Landes ist es zuständig für das Archivgut der Brandenburger Behörden und Einrichtungen sowie ihrer Rechts- und Funktionsvorgänger – epochenübergreifend von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Unterlagen zu übernehmen, zu bewahren und für die Gesellschaft zugänglich zu machen. Seine Überlieferung umfasst mehr als 50.000 laufende Meter Archivgut. Das Landeshauptarchiv ist eine nachgeordnete Einrichtung des brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur und wird im Haushaltsjahr 2020 mit rund neun Millionen Euro vom Land Brandenburg finanziert.

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Ident-Nr
316
Datum
17.11.2020
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