Ehemalige SED-Waldsiedlung erhält Denkmalschutzstatus
- Erschienen amDie ehemalige SED-Waldsiedlung in Bernau (Kreis Barnim) steht unter Denkmalschutz. Darüber informierten heute vor Ort Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch, der Landeskonservator Thomas Drachenberg, der Bürgermeister der Stadt Bernau bei Berlin, André Stahl, der Geschäftsführer der Michels Kliniken GmbH & Co. KG, Kurt-Josef Michels, und der stellvertretende Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Jürgen Danyel. Unter Schutz gestellt werden alle erhaltenen Teile der Anlage, insbesondere das Haupttor und Wachgebäude, die Abschnitte der Innenringmauer, die 20 Funktionärswohnhäuser, der Veranstaltungssaal des Funktionärsclubs sowie die Frei- und Grünflächen. Im Rahmen des Pressegesprächs übergab Klinikchef Michels auch die Bronzeplastik ‘Sieben Schwestern küsst das eine Meer‘ des Bildhauers Reinhard Dietrich an den Bernauer Bürgermeister Stahl. Die Plastik soll die Skulpturen-Sammlung der ehemaligen SED-Waldsiedlung im ‘Kunstraum Innenstadt‘ in Bernau ergänzen.
Kulturministerin Martina Münch begrüßte die Entscheidung zur Unterschutzstellung: „Die Waldsiedlung ist aufgrund ihres singulären Charakters und ihrer besonderen Authentizität in besonderer Weise dafür geeignet, sich mit der Geschichte und insbesondere den Machtstrukturen der DDR auseinanderzusetzen. Die Waldsiedlung war und ist ein Symbol für den Politik- und Lebensstil der Machtelite der DDR. Die Häuser wirken bis heute eher bodenständig und bescheiden – die Ausstattung, das Sicherheitsregime und die Sonderversorgung in der Siedlung waren es nicht“, so Münch. „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Situation der Menschen in der DDR bleibt auch mehr als 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution von besonderer Bedeutung. Eine sachgemäße historische Aufarbeitung und differenzierte Auseinandersetzung mit der Herrschafts- und Alltagsgeschichte der DDR ist insbesondere für kommende Generationen wichtig, die die DDR nicht mehr selbst erlebt haben.“
Landeskonservator Thomas Drachenberg erläuterte: „Die Waldsiedlung ist von orts- und zeitgeschichtlicher Bedeutung. Sie ist aus baugeschichtlicher, künstlerischer, gartenhistorischer und wissenschaftlicher Sicht schützenswert.“
Der Bernauer Bürgermeister André Stahl betonte: „An dieser Stelle wird uns äußerst plastisch vor Augen geführt, welchen Wandel die Waldsiedlung seit der politischen Wende durchlebt hat. Was zu DDR-Zeiten eine hermetisch abgeschottete Wohnsiedlung für einige wenige war, hat sich inzwischen zu einem modernen und offenen Gesundheitsstandort entwickelt. Es ist daher richtig, dass die Waldsiedlung in Teilen unter Denkmalschutz gestellt wird. Damit wird deutlich, welche Geschichte sich hinter dem Gelände verbirgt. Heute leben hier mehr als 1.000 Menschen. Noch einmal so viele beschäftigen die Michels Kliniken in ihren Gesundheits-, Reha- und Senioreneinrichtungen.“
Jürgen Danyel, stellvertretender Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung, verwies auf die historische Bedeutung des Areals: „In der DDR rankten sich um die Waldsiedlung Wandlitz zahlreiche Gerüchte und Mythen über den Luxus und die Privilegien der DDR-Führungsschicht. Sie sorgten für wachsenden Unmut in der Bevölkerung. Im Herbst 1989 erlangte das Thema eine ungeahnte politische Sprengkraft und trug maßgeblich zur Erosion der SED-Herrschaft bei. Aus heutiger Perspektive und ohne den historischen Kontext ist dies nur noch schwer nachvollziehbar. Der Denkmalschutz für die Waldsiedlung eröffnet neue Chancen für eine historische Aufklärung. Als Symbol für die Diskrepanz zwischen dem politischen Anspruch der SED und der vom Volk abgeschotteten privaten Lebenswelt ihrer Parteiführung ist die Waldsiedlung deshalb ein wichtiger Ort für die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit.“
Hintergrund zur Waldsiedlung: Von 1958 bis 1960 ließ das SED-Politbüro zwischen Bernau und Wandlitz eine hermetisch abgeschottete Siedlung für die ranghöchsten SED-Parteifunktionäre und ihre Familien bauen – mit Funktionärsclub, Dienstleistungseinrichtung wie Sauna, Solarium, Friseur und Kosmetik sowie Grün- und Freiflächen. Im so genannten Innenring der Waldsiedlung wohnten bis 1989/90 mehr als 20 Funktionärsfamilien, darunter auch die DDR-Staats- und Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker. Im ‘Ladenkombinat‘ gab es Westwaren sowie Dinge, die sonst in der DDR kaum erhältlich waren. Das Areal wurde durch das Ministerium für Staatssicherheit geschützt. Nach der Friedlichen Revolution wurde auf dem Gelände die Brandenburgklinik eröffnet.
Hintergrund zum Denkmalschutz: Insgesamt gibt es rund 25.000 eingetragene Denkmale im Land Brandenburg – darunter mehr als 100 Einzelobjekte aus der DDR-Zeit. Dazu zählen unter anderem die Grenzanlage in Drewitz/Dreilinden, die Gaststätte Seerose in Potsdam, die Disziplinareinheit im Militärgefängnis Schwedt und die Innenstadt von Eisenhüttenstadt. Für unter Denkmalschutz gestellte Bereiche und Objekte gilt laut dem Brandenburgischen Denkmalschutzgesetz bei Veränderungen wie etwa Umnutzungen oder Eingriffen in die Substanz grundsätzlich ein Genehmigungsvorbehalt der Unteren Denkmalschutzbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte. Das Kulturministerium investiert in diesem Jahr rund 14,3 Millionen Euro in die Sicherung, Sanierung und Restaurierung von Denkmalen. Weitere Mittel in Millionenhöhe kommen vom Infrastrukturministerium.
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