Die Verantwortung endet nicht
- Erschienen am - PresemitteilungKulturministerin Manja Schüle und Finanzministerin Katrin Lange gedenken des 82. Jahrestages der Novemberpogrome von 1938.
Kulturministerin Manja Schüle:
„Was vor Jahren noch undenkbar war, ist heute Alltag in Deutschland. Der Antisemitismus grassiert. Dafür stehen die jüngsten Attacken auf und vor Synagogen besonders eindrücklich: Hamburg vor einem Monat, Halle vor einem Jahr. Es sind nicht mehr dieselben Menschen wie vor 75, 80 Jahren – aber es ist dasselbe Böse. Deswegen endet auch die Verantwortung nicht. Ich bin dem Moses Mendelssohn Zentrum, der F.C. Flick-Stiftung, dem Abraham Geiger Kolleg und der evangelischen Kirche dankbar, dass sie die öffentliche Debatte darüber angestoßen haben, welche Instrumente die richtigen sind, um Antisemitismus wirkungsvoll zu bekämpfen. Aber: Die Verfassung ändert man nicht mal eben so im Vorbeigehen. Die Debatte über die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in die brandenburgische Landesverfassung muss breit geführt werden – nicht nur in Wissenschaft und Politik, sondern in der gesamten Gesellschaft. Dafür werde ich mich einsetzen“,
so Ministerin Schüle.
„Ich bin davon überzeugt: Antisemitismus wird am besten bekämpft, wenn man die jüdischen Gemeinden in unserem Land stark macht. Deswegen ist es ein gutes Signal, dass die Jüdische Gemeinde Oberhavel jetzt ein eigenes und sicheres Synagogen- und Gemeindezentrum erhält – 82 Jahre nachdem in Deutschland die Synagogen brannten und 20 Jahre nach Gründung der Gemeinde in Oranienburg. Das ist eine herausragende Nachricht. Es zeigt: Jüdisches Leben gehört in unsere Mitte und hat deshalb auch einen Platz in unserer Mitte.“
Kulturministerin Manja Schüle hat heute an einer stillen Kranzniederlegung anlässlich des Gedenkens an die Opfer der Novemberpogrome von 1938 am Platz der ehemaligen Synagoge in Potsdam teilgenommen.
Finanzministerin Katrin Lange:
„Ich begrüße sehr, dass der Verkaufsvertrag für das Grundstück in Oranienburg am vergangenen Freitag von den Vertretern der Jüdischen Gemeinde Oberhavel und des Landes Brandenburg unterzeichnet werden konnte. Das Vorhaben ist damit auf einem sehr guten Weg. Damit wird schon in sehr überschaubarerer Zeit wieder ein Ort jüdischen Gemeindelebens in Oranienburg entstehen. Das Land beabsichtigt, das Grundstück in der Oranienburger Lehnitzstraße der Jüdischen Gemeinde zu einem ermäßigten Kaufpreis zu überlassen. Der Grund für diese Ermäßigung liegt auf der Hand: Es besteht ein besonderes Interesse des Landes daran, dass in Oberhavel wieder ein jüdisches Synagogen- und Gemeindezentrum entsteht. Damit der beabsichtigte Verkauf wirksam wird, ist zuvor noch die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Landtages erforderlich. Ich gehe davon aus, dass sich der Haushaltsausschuss voraussichtlich im Dezember mit diesem Thema befassen wird. Dass der Kaufvertrag nun im unmittelbaren zeitlichen Umfeld des Jahrestages des Novemberpogroms 1938 unterzeichnet werden konnte, ist zwar Zufall – aber ich denke, jeder ist sich der besonderen Bedeutung dieses Vorganges bewusst, die weit über Oranienburg und Oberhavel hinausreicht. Jüdisches Leben soll in Brandenburg wieder seinen Platz haben – und dafür bedarf es Orte und Räume. In Oranienburg wurde dafür jetzt eine gute Lösung gefunden und allen Beteiligten danke ich dafür sehr. Mit Engagement und gutem Willen auf allen Seiten ist vieles möglich. Das zeigt das Oranienburger Beispiel.“
Die Jüdische Gemeinde Oberhavel soll – vorbehaltlich der Zustimmung durch den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages – die Landesliegenschaft in der Lehnitzstraße 36 in Oranienburg erhalten. Aufgrund des herausgehobenen öffentlichen Interesses wird die Liegenschaft verbilligt an die Gemeinde abgegeben. Das Kulturministerium prüft gemeinsam mit der Gemeinde, welche Sicherungsmaßnahmen benötigt werden und stellt dafür die erforderlichen Mittel bereit.
Bei den Novemberpogromen organisierten SA-und SS-Trupps in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 gewalttätige Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Mehrere hundert Synagogen in ganz Deutschland wurden in Brand gesetzt, mindestens 8.000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet. Die Pogromnacht forderte rund 400 Todesopfer. Insgesamt 30.000 Juden wurden in dieser Nacht und den folgenden Tagen verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Die antisemitischen Ausschreitungen waren von der NS-Führung organisiert worden, die die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürgerinnen und Bürger seit 1933 systematisch vorangetrieben hatte. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung der Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die wenige Jahre später in die Shoa, die Vernichtung der europäischen Juden, mündete.
In Brandenburg lebten vor 1933 etwa 9.000 Juden in mehr als 20 Gemeinden. Nach dem Krieg lebten auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg nur noch vereinzelt Juden. Erst ab 1991 gründeten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wieder jüdische Gemeinden in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel, Bernau, Oranienburg und Königs Wusterhausen mit insgesamt rund 2.000 Mitgliedern. Zur Förderung jüdischer Gemeinde-und Verbandsstrukturen stellt das Land jährlich rund 750.000 Euro zur Verfügung. Weitere 500.000 Euro stellt das Land in diesem Jahr für Sicherungsmaßnahmen von jüdischen Einrichtungen bereit.