Erinnerung an Leid, Unrecht und Verbrechen wachhalten
- Erschienen am - PresemitteilungKulturministerin Martina Münch hat heute in Cottbus und Potsdam an Gedenkveranstaltungen anlässlich der Novemberpogrome von 1938 teilgenommen. Dabei gedachte sie der Opfer und mahnte daran die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse vor 81 Jahren wachzuhalten. „Die Novemberpogrome waren eine Zäsur: Sie markierten nach der vorangegangenen Entrechtung von Juden den Beginn der systematischen Verfolgung, der völligen Entrechtung und des staatlich verordneten Massenmords. Viele haben damals zugesehen, nicht wenige sind zu Mittätern nationalsozialistischer Willkür und Grausamkeit geworden. Wir erinnern an das unermessliche Leid der unzähligen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Die Erinnerung an Leid, Unrecht und Verbrechen muss wachgehalten werden“, so Münch. „Diese Pflicht zur Erinnerung ist wichtiger denn je: Auch heute werden wieder Juden auf unseren Straßen angegriffen, jüdische Friedhöfe geschändet, jüdische Einrichtungen attackiert und antisemitische Hetze verbreitet. Der abscheuliche Anschlag von Halle ist eine besonders widerwärtige Form eines Antisemitismus, der sich vielerorts wieder Bahn gebrochen hat. Der 9. November 1938 erinnert eindrücklich daran, was geschieht, wenn einer Gesellschaft Menschlichkeit, Empathie, Toleranz und Zivilcourage verloren gehen. Und er macht deutlich, dass Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit in unserem Land nicht verhandelbar sind. Vor dem Hintergrund der deutlichen Zunahme von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gilt es dafür auch in Zukunft mit aller Entschlossenheit und Kraft zu kämpfen.“
Das Gedenken in Cottbus wird von der Jüdischen Gemeinde und der Stadt Cottbus in Kooperation mit dem Bündnis ‘Cottbuser Aufbruch‘ ausgerichtet. Das Gedenken in Potsdam wird von der Landeshauptstadt Potsdam und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Stadt Potsdam, der Synagogengemeinde Potsdam, dem Evangelischen Kirchenkreis und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen veranstaltet.
Bei den Novemberpogromen organisierten SA- und SS-Trupps in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 gewalttätige Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Mehrere hundert Synagogen in ganz Deutschland wurden in Brand gesetzt, mindestens 8.000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet. Die Pogromnacht forderte rund 400 Todesopfer. Insgesamt 30.000 Juden wurden in dieser Nacht und den folgenden Tagen verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Die antisemitischen Ausschreitungen waren von der NS-Führung organisiert worden, die die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürgerinnen und Bürger seit 1933 systematisch vorangetrieben hatte. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung der Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die wenige Jahre später in die Shoa, die Vernichtung der europäischen Juden, mündete.
In Brandenburg lebten vor 1933 etwa 9.000 Juden in mehr als 20 Gemeinden. Nach dem Krieg gab es im Gebiet des heutigen Landes Brandenburg nur noch vereinzelte Juden. Erst ab 1991 gründeten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wieder jüdische Gemeinden in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel, Bernau, Oranienburg und Königs Wusterhausen mit insgesamt rund 2.000 Mitgliedern. Das Land hat im Jahr 2005 einen Staatsvertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden abgeschlossen. Zur Förderung jüdischer Gemeinde- und Verbandsstrukturen stellt das Land jährlich mehr als 650.000 Euro zur Verfügung. Im Januar 2015 wurde in Cottbus die landesweit erste Synagoge nach 1945 eingeweiht. Der Bau einer weiteren Synagoge in Potsdam ist geplant. Dazu haben das Land, die Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam und die Synagogengemeinde Potsdam im November 2018 eine Vereinbarung über die Errichtung eines Synagogen- und Gemeindezentrums in Potsdam unterzeichnet. Die Synagoge soll auf der Grundlage der Vereinbarung in den kommenden Jahren vom Land errichtet werden.