Erstmals wieder Stipendiat*innen auf Schloss Wiepersdorf
- Erschienen am - PresemitteilungDie Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf hat ab Juni erstmals seit der Stiftungsgründung im Jahr 2019 wieder Stipendiatinnen und Stipendiaten vor Ort empfangen. Zuvor wurden die Stipendien pandemiebedingt nur virtuell umgesetzt. Doch nun – mit gesunkenen Inzidenzen und gestiegener Impfquote – leben und arbeiten seit Kurzem wieder Stipendiat*innen im Rahmen eines Arbeitsaufenthaltes auf Schloss Wiepersdorf (Landkreis Teltow-Fläming). Im Jahr 2021 sind darunter auch 14 Künstler*innen und Wissenschaftler*innen, die vom Kulturministerium gefördert werden.
Kulturministerin Manja Schüle:
„Sommer, Sonne, Schloss Wiepersdorf: Herzlich willkommen, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten! Mit seiner Kunst- und Kultur-Geschichte, die von der Romantik bis in die Gegenwart reicht, ist Schloss Wiepersdorf ein besonderer Ort – weit über Brandenburg hinaus leuchtend. Brandenburg schafft und ermöglicht Kreativität, Kultur und Begegnung – in besonderer Weise in Wiepersdorf. Ich freue mich sehr, dass die von uns mit einem dreimonatigen Stipendium geförderten Künstlerinnen und Wissenschaftler endlich wieder vor Ort – und nicht mehr nur virtuell – an ihren neuen Projekten arbeiten können. Das lebendige Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft, Kultur und Profession kann der digitale Austausch nicht ersetzen. Ich wünsche allen Wiepersdorf-Stipendiatinnen und -Stipendiaten einen wunderbaren Aufenthalt, inspirierende Begegnungen und spannende Diskussionen in einer Umgebung, die alle Sinne stimuliert.“
Die Gründungsbeauftragte der Kulturstiftung, Annette Rupp:
„Das Team freut sich über die ersten Stipendiatinnen und Stipendiaten nach den ersten Sanierungsarbeiten im Haus. Die Zimmer sind frisch gestrichen, die Arbeitsräume hergerichtet, die Tasteninstrumente gestimmt und Partnerinstitutionen über die Werke der Stipendiat*innen für gemeinsame Veranstaltungen informiert.“
Die vom Kulturministerium finanzierten Stipendiat*innen, die die Sommermonate von Juni bis August 2021 auf Schloss Wiepersdorf verbringen werden, auf einen Blick:
- Hakan Ulus, Professor für Musiktheorie und Komposition, Studium an der Universität Mozarteum Salzburg und der HMT Leipzig. Aufführungen seiner Werke u.a. in USA, Frankreich, Australien, Singapur. Diverse Stipendien (u.a. Berlin Stipendium der Akademie der Künste Berlin 2017/18), Preise (u.a. impuls Kompositionspreis 2017), Aufträge (u.a. Klangforum Wien Australien National Academy for Music). Hakan Ulus unterrichtet an der University of Huddersfield und an der Gustav Mahler Privatuniversität Klagenfurt. In Wiepersdorf wird er ein neues Stück für zwei Bassklarinetten, zwei Saxophone und Schlagzeug komponieren.
- Clarisse Baleja Saïdi, kanadische Schriftstellerin ruandischer und kongolesischer Herkunft. Bachelor in englischer Sprache und Literatur, Carleton University, Master in Creative Writing des Helen Zell Writers‘ Program, University of Michigan. Dort lehrte sie kreatives und wissenschaftliches Schreiben, Preise im Rahmen des Hopwood Awards Program für ihre Belletristik, Poesie und Dramen. Stipendien u.a. von MacDowell, Hedgebrook, der La Napoule Art Foundation. In Wiepersdorf wird die Autorin an Essays und einem zweiten Roman arbeiten sowie letzte Überarbeitungen an ihrem Debütroman ‘Now Never Ends‘ vornehmen.
- Günter Agde, Filmhistoriker; Studium der Theaterwissenschaften in Leipzig, Promotion an HU Berlin über Filmregisseur Kurt Maetzig. 1972 bis 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter für Spielfilm, Akademie der Künste Berlin; ab 1991 Filmhistoriker (Lehraufträge u.a. HFF Konrad Wolf, Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, ZZF Potsdam). Co-Kurator der Retrospektive ‘Die rote Traumfabrik, Meschrabpom-Film und Prometheus (1921–1936)‘, Berlinale 2012. In Wiepersdorf arbeitet er an filmhistorisch-kritischer Bestandsaufnahme, Analyse und Darstellung aller Arbeiten des Schriftstellers Günter Kunert für Kino- und Fernsehfilme.
- Natalia Pschenitschnikova, Absolventin des Staatlichen Tschaikowski-Konservatoriums in Moskau, Sängerin, Flötistin, Performerin und Komponistin. Schwerpunkte ihrer experimentellen Arbeit sind u.a. die Korrelation von Klang und Raum. Neuere performative und installative Kompositionen widmete sie literarischen Werken der russischen und frühsowjetischen Avantgarde (Velimir Chlebnjkov, Aleksej Gastev). Internationale Festivalteilnahmen (u.a. Biennale Venedig, Wien Modern). In Wiepersdorf wird sie an ihrem neuen Stück „Requiem for a Flower“, einer Performance mit Objekten für Solostimme und Live-Electronics, arbeiten.
- Theresa Eisele, Studium Medien-, Theater- und Kommunikationswissenschaft, Leipzig und Madrid; 2020/21 Visiting Fellow am Institut für Theaterwissenschaft, FU Berlin. Zuvor tätig an der Uni Wien und am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur in Leipzig. Sie befasst sich mit der Theatergeschichte Wiens des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, mit historischer Anthropologie und jüdischer Geschichte, untersucht für ihre Dissertation die theatrale Aushandlung jüdischer Zugehörigkeit um 1900 in Wien. In Wiepersdorf möchte sie ein Publikationsprojekt zur Ballonfahrerin Wilhelmine Reichard (1788–1848) entwickeln.
- Nezaket Ekici, Performancekünstlerin türkischer Herkunft, Studium Kunstpädagogik, LMU München, Studium Kunsterziehung auf Bildhauerei, Akademie der Bildenden Künste München, Meisterschülerin in Performance bei Prof. Dr. Marina Abramović, Hochschule der Bildenden Künste Braunschweig. Ihre Werke und 250 Performances präsentierte sie in mehr als 60 Ländern auf vier Kontinenten. 2018 Paula Modersohn-Becker-Kunstpreis. Sie verhandelt Themen von Identität bis Architektur und setzt ihren Körper als Erzählinstrument ein. In Wiepersorf wird Nezaket Ekici die Video-Performance ‘Apeiron Forest – Apex‘ zeigen.
- Sergey Khismatov, Studium an der Europäischen Universität St. Petersburg, Kompositionsmeisterklassen mit u.a. Enno Poppe, Boris Filanovsky, Pascal Dusapin. Als Komponist interessiert sich Khismatov für das Klangbild unserer Zeit. 2017 wurde sein Werk ‘A-Musik‘ im Bergbau-Technik-Park im Leipziger Neuseenland aufgeführt. 2014 Boston Metro Opera Advocacy-Award für seinen Kammeroper-Zyklus ‘to the left’. Innerhalb des Projekts ‘Signals‘ wird er an einer weiteren Komposition für Megaphon arbeiten. Während der Aufführung bewegen sich Sänger*innen des Megaphon-Chors und Publikum gemeinsam durch den Park.
- Anna Korsun, Kompositionsstudium in Kiew und München. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Komposition, Performance und Sound Art. Kompositionen für unterschiedliche Besetzungen, einschließlich akustischer Instrumente, menschlicher Stimme, Elektronik, Klangobjekte. Anna Korsun performt Werke zeitgenössischer Musik, unterrichtet Komposition u.a. am Conservatorium van Amsterdam. Internationale Festival- und Konzertteilnahmen, Stipendiatin u.a. der Villa Massimo in Rom, viele Kompositionspreise. In Wiepersdorf wird sie an einer neuen Klanginstallation und Performance u.a. mit menschlichen Stimmen arbeiten.
Insgesamt erhalten in diesem Jahr 22 Künstler*innen und Wissenschaftler*innen ein Wiepersdorf-Stipendium. Die Stipendiat*innen müssen vor ihrem Aufenthalt einen Corona-Test erbringen und sich vor Ort erneut testen lassen. Zudem können sie ihren Aufenthalt nicht unterbrechen und erneut anreisen. Deshalb bietet die Kulturstiftung in diesem Jahr ein hybrides Modell an, bei welchem die Stipendiat*innen einen Teil der drei Monate vor Ort und einen anderen Teil virtuell absolvieren können.
Die Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf wurde am 1. Juli 2019 gegründet. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat das Grundstück und die Gebäude mitsamt dem Inventar sowie den ‘Land Brandenburg-Fonds‘ in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro an die Stiftung übergeben. Das Haus steht als Residenz für mehrmonatige Arbeitsaufenthalte von Künstler*innen der Sparten Bildende Kunst, Komposition, Literatur sowie Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland bereit. Neben Einzelstipendien sind auch Gruppen- und Kooperationsstipendien möglich. Für den Betrieb des Hauses sowie die Stipendien stellt das Land Brandenburg im Jahr 2021 906.000 Euro bereit. Weitere Stipendien werden durch Partnerinstitutionen vergeben.
Das Schloss Wiepersdorf (Landkreis Teltow-Fläming) hat als ehemaliger Wohnsitz von Achim und Bettina von Arnim eine lange Tradition als Ort des geistig-kulturellen Austausches. Nach 1946 wurde Schloss Wiepersdorf in der DDR als Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller*innen und Künstler*innen genutzt und ist damit das älteste von insgesamt 13 Künstlerhäusern in Deutschland. Namhafte Schriftsteller*innen waren hier zu Gast, darunter Anna Seghers, Christa Wolf und Arnold Zweig. Im Jahr 1992 erfolgte die Wiedereröffnung als Künstlerhaus Wiepersdorf der Stiftung Kulturfonds. Von 2006 bis 2018 betrieb die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit zeitweiser Unterstützung des Landes Brandenburg und des Bundes Schloss Wiepersdorf als Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf.
Für die Förderung von Künstler*innen stehen in diesem Jahr neben den Corona-Hilfen in Höhe von 4 Millionen Euro für Mikrostipendien insgesamt weitere rund 200.000 Euro bereit. Neben den Wiepersdorf-Stipendien vergibt das Kulturministerium in diesem Jahr auch Arbeitsstipendien an brandenburgische Künstler*innen sowie den mit 6.000 Euro dotierten Nachwuchsförderpreis des Landes.
Weitere Informationen: www.schloss-wiepersdorf.de