Geschichte der Unterdrückung und Verfolgung - Kulturministerin Kunst gedenkt der Opfer anlässlich des 70. Jahrestages der Errichtung des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen
- Erschienen amKulturministerin Sabine Kunst hat heute in Sachsenhausen anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Errichtung des sowjetischen Speziallagers der zahlreichen Opfer gedacht. „Die Geschichte des ‘Speziallagers‘ ist eine Geschichte der Unterdrückung, der Verfolgung und der Grausamkeit: Etwa 60.000, oft willkürlich ausgewählte, Menschen wurden zwischen 1945 und 1950 in dem Speziallager unter schlimmsten Bedingungen inhaftiert, rund 12.000 von ihnen überlebten nicht. Es ist kaum nachzuvollziehen, dass erst Menschen aus Lagern befreit und kurze Zeit später andere Menschen erneut in teilweise dieselben Lager eingesperrt wurden – zum Teil NS-Täter und NS-Belastete, aber in vielen Fällen auch Unschuldige und Minderjährige, in einigen Fällen sogar solche, die bereits vorher in einem Konzentrationslager gelitten hatten“, so Ministerin Kunst. „Die ehemaligen Lager in Sachsenhausen sind ein wichtiger Erinnerungs- und Informationsort, um die Geschichte für junge Menschen und zukünftige Generationen wachzuhalten und Möglichkeiten zur Information und Auseinandersetzung zu sichern. Sachsenhausen ist ein Synonym für das, was totalitäre Herrschaft im 20. Jahrhundert Menschen zugefügt hat. Im April haben wir in dieser Gedenkstätte den 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers begangen. Heute erinnern wir an eben diesem Ort an die Errichtung des Speziallagers durch die sowjetische Militärverwaltung. Wir gedenken gemeinsam der Opfer in diesen Lagern und mahnen, dass dieses Unrecht nicht vergessen werden darf“, betonte Kunst. „Wenn wir uns in diesem Jahr an die Jahre des Nationalsozialismus, den Krieg, das Kriegsende und die Phase der Besatzung erinnern – so waren das auch Zeiten, in denen Millionen von Deutschen auf der Flucht waren. Sie waren darauf angewiesen, dass sie Aufnahme fanden. Diese Erinnerung ist gerade heute, vor dem Hintergrund der vielen Flüchtlinge, die vor Leid, Tod und Unterdrückung fliehen, eine Mahnung, sich klar und eindeutig gegen Ausgrenzung und Verfolgung zu wenden.“
Anlässlich der Gedenkveranstaltung fanden gestern und heute ein Zeitzeugengespräch, eine Tanzperformance, eine Andacht und eine Kranzniederlegung statt. Die Veranstaltungen wurden vom Land Brandenburg mit rund 26.000 Euro gefördert.
Hintergrund:
Das sowjetische Geheimdienst NKWD errichtete ab Mai 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zehn Speziallager, in denen deutsche Zivilisten im Rahmen der Entnazifizierung, zum Teil aber auch ohne Rechtsgrundlage, gefangen gehalten wurden. Das Speziallager Nr. 7 befand sich zunächst in Weesow bei Werneuchen (Landkreis Barnim), wurde jedoch im August 1945 auf das Gelände des früheren nationalsozialistischen Konzentrationslagers Sachsenhausen verlegt. Nach der Auflösung der kleineren Lager im Sommer 1948 wurde es in Speziallager Nr. 1 umbenannt.
Bis zu seiner Auflösung im März 1950 wurden dort mehr als 60.000 Personen inhaftiert, rund 12.000 von ihnen starben an den katastrophalen Haftbedingungen, an Krankheit, Hunger, psychischer und physischer Entkräftung. Bei den Inhaftierten handelte es sich um Funktionsträger der NSDAP, KZ-Personal, Angehörige von Polizei, Justiz und Verwaltung, ehemalige Wehrmachtsoffiziere, politisch Missliebige, Jugendliche sowie willkürlich Denunzierte. Geständnisse bei den Verhören erzwang der NKWD zumeist durch Folter. Eine Überprüfung individueller Schuld fand nicht statt. Das Speziallager war von der Außenwelt völlig isoliert. Angehörige wurden nicht über den Verbleib und das Schicksal der Häftlinge informiert.
Im Jahr 2001 eröffnete die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten das Museum „Sowjetisches Speziallager Sachsenhausen Nr. 7/ Nr. 1 (1945-1950)“. Der Jahrestag der Ankunft der ersten Inhaftierten in Sachsenhausen am 10. August 1945 wird von den ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen seit Anfang der 1990er Jahre als Gedenktag für die Opfer des Speziallagers begangen.
Weitere Informationen: www.stiftung-bg.de