Menschenrechtszentrum Cottbus erhält rund 312.000 Euro -Kulturstaatssekretär Gorholt übergibt Förderbescheid mit Bundes- und Landesmitteln für Arbeit der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
- Erschienen amKulturstaatssekretär Martin Gorholt hat heute dem Menschenrechtszentrum Cottbus einen Förderbescheid mit Bundes- und Landesmitteln in Höhe von insgesamt 312.498 Euro zur Aufarbeitung der Geschichte des ehemaligen Zuchthauses übergeben. Er würdigt die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus als wichtigen Erinnerungsort deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts und dankt dem Verein Menschenrechtszentrum für seine langjährige Arbeit. „Das ehemalige Zuchthaus Cottbus ist Symbol der Unterdrückung und der politischen Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus sowie der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED-Diktatur. Die Auseinandersetzung mit den menschenunwürdigen Bedingungen in dem früheren Zuchthaus macht eindrücklich deutlich, welchen Stellenwert Menschenrechte haben und welche Aktualität ihnen vor dem Hintergrund aktueller Konflikte in der Welt zukommt. Das ehemalige Zuchthaus ist sowohl eine authentische historische Stätte als auch ein Ort der politischen Bildung für die heutige und kommende Generationen“, so Gorholt. „Die Entwicklung dieser Haftanstalt zu einer Gedenkstätte ist maßgeblich dem großen ehrenamtlichen Engagement ehemaliger Häftlinge zu verdanken, die ihren Ort des Leidens in einen Ort der Aufklärung verwandelt haben. Die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ist die einzige Gedenkstätte im Land Brandenburg, die sich im Eigentum von ehemaligen politischen Gefangenen befindet und maßgeblich von ihnen geprägt wird. Ich freue mich, dass wir die weitere Entwicklung dieser Stätte der Dokumentation politischer Haft und der Menschenrechtsarbeit finanziell unterstützen können.“
Sylvia Wähling, geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrums und Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus: „Wir sind dem Bund, dem Land Brandenburg und der Stadt Cottbus für die Förderung sehr dankbar. Denn mit dieser Unterstützung wird die Besonderheit dieser Gedenkstätte gewürdigt. Wo gibt es das sonst, dass frühere politische Häftlinge ihr Gefängnis kaufen, nicht um darin Menschen einzusperren, sondern um es zu einer Gedenkstätte und einem Ort der Menschlichkeit umzuwandeln?“
Die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus erhält mit dem heutigen Fördermittelbescheid 83.332 Euro an Landesmitteln für 2015 sowie 229.166 Euro an Bundesmitteln für die Jahre 2015 und 2016. Das Kulturministerium hat der Gedenkstätte bereits Anfang des Jahres 16.668 Euro an Fördermitteln für 2015 ausgezahlt und sich verpflichtet, der Gedenkstätte für das Jahr 2016 ebenfalls 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Stadt Cottbus unterstützt die Gedenkstätte in beiden Jahren mit insgesamt 50.000 Euro. Der Verein Menschenrechtszentrum steuert Eigenmittel in Höhe von 280.000 Euro für 2015 und 2016 bei.
Das ehemalige, im Jahr 1860 fertig gestellte Cottbuser Gefängnis spiegelt die Entwicklung im deutschen Strafvollzug des 20. Jahrhunderts wider. Während in der Weimarer Republik noch sozialreformerische Konzepte dominierten, waren die Gefangenen unter dem NS-Regime Willkür, Entrechtung, Misshandlungen und menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt. In der Zeit des Nationalsozialismus fungierte es als Jugendgefängnis und Frauenzuchthaus, als Haftort für deutsche und ausländische Widerstandskämpferinnen und als Ausgangspunkt für Deportationen in Konzentrationslager.
In der DDR war es die bedeutendste Haftanstalt für politische Gefangene und neben dem „Gelben Elend“ in Bautzen Gefängnis für Ausreisewillige der gesamten DDR. Im Ergebnis einer repräsentativen Befragung im Rahmen eines von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderten Forschungsprojekts wurde ermittelt, dass im Zuchthaus Cottbus mehr als 82 Prozent der Insassen wegen politischer Delikte einsaßen. Typische Haftgründe waren Passvergehen, staatsfeindliche Hetze, landesverräterische Nachrichtenübermittlung und Agententätigkeit sowie ungesetzliche Verbindungsaufnahme, etwa zu Menschenrechtsorganisationen. An diesem Ort wird vor allem die Kriminalisierung des Verlassens der DDR als „Republikflucht“ besonders deutlich, da die meisten Häftlinge in den 1980er Jahren wegen dieses Vorwurfs in Cottbus einsaßen. Viele von ihnen gelangten schließlich durch „Freikauf“ in die Bundesrepublik Deutschland. Das Cottbuser Gefängnis war das Freikaufs- und Devisenbringer-Gefängnis der DDR schlechthin. Nach der Wiedervereinigung wurde der Strafvollzug unter rechtsstaatlichen Bedingungen noch bis 2002 fortgeführt, dann wurde das Gefängnis geschlossen.
Der Trägerverein Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. widmet sich seit seiner Gründung im Jahr 2007 der Sanierung des Gebäudes der ehemaligen Haftanstalt und der Einrichtung einer Gedenk-, Bildungs- und Begegnungsstätte. Die Gedenk- und Begegnungsstätte wurde im September 2012 am Ort des ehemaligen Zuchthauses eröffnet, die neue Dauerausstellung „Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933–1989“ wird seit Dezember 2013 im ehemaligen Hafthaus 1 präsentiert. Die Gedenkstätte wird heute für Bildungsangebote und verschiedene Veranstaltungen genutzt. Vorsitzender des Vereins ist der ehemalige Häftling und Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski.
Zur Förderung des Menschenrechtszentrums Cottbus e.V. sowie des Kaufs, Aus- und Umbaus der früheren Haftanstalt hat das Land bisher mehr als 1 Million Euro bereitgestellt.
Weitere Informationen: www.menschenrechtszentrum-cottbus.de