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Museum Himmlisches Theater zeigt zwei neue Szenen des Neuzeller Heiligen Grabes

- Erschienen am 01.04.2022 - Presemitteilung 101
Europaweit einmalige barocke Kunstgeschichte

Die Arbeiten am einzigartigen “Heiligen Grab” des Klosters Neuzelle, einem Kulissentheater zur Passionsgeschichte aus dem 18. Jahrhundert, schreiten voran. Zwei weitere Szenen sind restauriert und können erstmals seit mehr als 150 Jahren öffentlich präsentiert werden: Die Szenen “Jesus vor Hannas” und die “Grablegung Jesu” setzen die Szenenfolge in den Bühnenbildern „Garten“ und “Palast“ fort. Das Museum Himmlisches Theater, in dem das Kulissenheiliggrab unterirdisch ausgestellt wird, feiert diesen ersten doppelten Szenenwechsel seit seiner Eröffnung im Jahr 2015 mit zwei Aktionswochen. Vom 2. April bis Ostermontag, 18. April, werden täglich im Rahmen von Sonderführungen die neuen Szenen und die Geschichte ihrer Restaurierung vorgestellt (Kosten: 5 Euro pro Person, Termine unter www.klosterneuzelle.de).

“Damit sind nun bereits fünf der insgesamt 15 Szenen sowie drei der fünf Bühnenbilder restauriert und ausstellungsfähig. Unser Dank gilt so engagierten Förderern wie der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Oder-Spree, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur und natürlich dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum ohne deren langjährige großzügige Unterstützung die aufwändige Restaurierung dieses einzigartigen Kulturschatzes nicht denkbar gewesen wäre.",

freut sich der Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle, Norbert Kannowsky.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth:

“Als Bestandteil des ‘Barockwunder Brandenburgs’ ist das Neuzeller Kulissentheater eines der herausragendsten Ensembles dieser bedeutenden kunsthistorischen Epoche. Mit seinem opulenten Reichtum an Darstellungen übertrifft es alle vergleichbaren, bis heute erhaltenen Heilig-Grab-Aufbauten und war in der Vergangenheit eindrückliches Element der liturgischen Feierlichkeiten in der Passionszeit vor Ostern. Damit dieses authentische Zeugnis barocker Kunstgeschichte der Öffentlichkeit auch in Zukunft zugänglich bleibt, unterstützt der Bund die Restaurierungsmaßnahmen am Kloster Neuzelle mitsamt der Passionsdarstellungen seit 1998 mit erheblichen Mitteln von rund vier Millionen Euro.”

Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle:

„Das Kloster Neuzelle ist ein kulturhistorischer Solitär in Brandenburg, nicht zuletzt wegen der fast vollständig erhaltenen Passionsdarstellungen des ‘Heiligen Grabes‘. Die Darstellungen sind nicht nur europaweit einmalig – der architektonisch außergewöhnliche Museumsbau unter der Erde, in dem sie gezeigt werden, unterstreicht dabei in besonderer Weise die Wirkung der Passions-Kulissen: Besucherinnen und Besucher erleben überirdische Passionsdarstellungen an einem einzigartigen unterirdischen Ort. Mein Tipp: Unbedingt hingehen!“

Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung sowie die Sparkasse Oder-Spree:

"Die Neuzeller Passionsdarstellungen sind ein sensationeller Kulturschatz. Als seien sie bewegte Bilder aus einer Zeit, die das Medium Film noch nicht kannte, geht von ihnen eine enorme Faszination aus. Europaweit gelten sie nach Umfang, Größe und künstlerischer Qualität als einzigartig. Damit diese wirklich einzigartige Sammlung von beinahe 230 Gemälden auch für künftige Generationen gesichert ist, haben sich die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Sparkasse Oder-Spree auch gern für die abschließende Restaurierungsetappe engagiert. Wir freuen uns, dass dank unserer gemeinsamen Förderung nun bereits zwei neue Szenen im Museum Himmlisches Theater präsentiert werden können."

 Die Leiterin des Referates Restaurierung und Bauforschung des BLDAM, Mechthild Noll-Minor:

„Die Arbeiten an diesem Projekt wurden nach einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb an Restauratorinnen und Restauratoren mit Expertise für vergleichbare Konservierungsleistungen vergeben. Die Arbeit im Team in den Restaurierungsateliers des BLDAM ist immer wieder eine Chance für den fachlichen Erfahrungsaustausch und die Weiterentwicklung des Konservierungskonzeptes, um die unterschiedlichen Bestandteile des Passionstheaters langfristig zu sichern. Die vorhandene Infrastruktur in Wünsdorf ermöglicht die nötigen Arbeitsschutzbedingungen während der Restaurierung, da die Objekte durch Holzschutzmittel kontaminiert sind.“

Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab

Das Heilige Grab in Neuzelle gehört als Kulisse zum Typ der illusionistischen Raumarchitekturen. Es wurde um 1751 vom Künstler Joseph Felix Seifrit im Auftrag des Klosters Stift Neuzelle geschaffen. Es sind weltweit noch etwa 30 Kulissenheiliggräber aus dem 18. Jahrhundert und eine viel größere Anzahl aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Das Neuzeller Heilige Grab kann wegen seines Wortreichtums als eindringliche Bilderpredigt katholischen Glaubens in einem protestantischen Umfeld verstanden werden.

Auch heute noch zählt das Heilige Grab zu den bedeutendsten sakralen Kunstwerken im Land Brandenburg. Im März 2015 wurde in Neuzelle ein neues exklusives Museum zur dauerhaften Präsentation dieser Passionsdarstellungen eröffnet.

Das Neuzeller Heilige Grab mit seinen 14 Passionsszenen und der Auferstehungsszene mit nahezu lebensgroßen Figuren in fünf Bühnenbildern ist europaweit nach Umfang, Größe und künstlerischer Qualität einmalig. Von den rund 240 großformatigen Tafeln und Leinwänden haben sich 229 erhalten. Das Neuzeller Heilige Grab nutzt theatralisch die Mittel und Möglichkeiten barocker Inszenierung. Aus kunsthistorischer und restauratorischer Sicht spektakulär ist die Tatsache, dass die barocken Theaterelemente fast vollständig erhalten sind. Sie wurden und werden bei der Restaurierung nicht übermalt.

Seit dem 16. Jahrhundert wurden in der Karwoche und zur Osterliturgie vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum Altar- und Theaterarchitekturen in Kirchen aufgestellt, die den Leidensweg, die Grablegung und die Auferstehung Jesu Christi illustrieren sollten. Diese Heiligen Gräber oder Ostergräber wurden nicht für Passionsspiele genutzt, sondern dienten ausschließlich der Verinnerlichung, der Betrachtung und dem Gebet.

Das von dem böhmischen Maler Seifrit geschaffene Neuzeller Kulissentheater verwendet bemalte Leinwände auf Keilrahmen und bemalte Holztafeln als Bühnendekoration. Die Figuren und Figurengruppen sind ebenfalls mit Leimfarben auf Holztafeln aufgemalt. Diese Tafeln stellte man in die Gassen der aus sechs Ebenen bestehende Kulisse, die mit einem über sechs Meter hohen Proszenium eingeleitet und mit einem Schlussbild abgeschlossen wird. Durch den schräg ansteigenden Theaterboden und die sich nach nach hinten verkleinernden Figuren und Kulissen wird innerhalb von sechs Metern eine naturnahe perspektivische Wirkung erzeugt.

Ursprünglich konnte man in fünf Bühnenbildern (Garten, Palast, Palasthof, Stadt, Kalvarienberg) 14 Passionsszenen zeigen, die Auferstehungsszene wurde als Abschlussbild aufgestellt. Dabei wird jede Station der Passion Christi durch eine Figurengruppe vor der an der Schlusskulisse oder auf einem Gestell präsentierten Monstranz dargestellt. Die anderen Figuren und Figurengruppen kommentieren das Geschehen oder erzählen andere Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament, die mit der Passionsszene korrespondieren.

Museale Präsentation

Nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen konnten seit März 2015 die beiden Szenen Judaskuss (Bühnenbild Garten) und Kreuztragung (Bühnenbild Stadt) in einem unterirdischen Museumsbau gezeigt werden. Der erste Restaurierungsabschnitt (2. Szene Judaskuss im Bühnenbild Garten) wurde von 2001 bis 2003 mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) durchgeführt. 2011 bis 2014 konnte der zweite Restaurierungsabschnitt (9. Szene Kreuztragung Jesu im Bühnenbild Stadt) mit Fördermitteln der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Oder-Spree im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum in Wünsdorf (BLDAM) abgeschlossen werden. Mit Beendigung des dritten Restaurierungsabschnittes konnte 2018, anlässlich der 750-Jahr Feierlichkeiten zur Gründung des Klosters Neuzelle, die Szene „Jesus vor dem Hohepriester Kaiphas“ mit dem Bühnenbild Palast präsentiert werden. Diese Szene wurde mit Mitteln der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Oder-Spree, der Kulturstiftung der Länder und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) des Landes Brandenburg finanziert.

Die Gesamtbaumaßnahme zur Sanierung des Kutschstallgebäudes und zur Einrichtung und Erweiterung des Museums Himmlisches Theater hatte einen Umfang von 8,9 Mio. Euro. Neben dem Ausbau der Museumsräume und des Depots, wurde ein unterirdischer Museumsanbau unter dem Weinberg - der Scheibe - errichtet. Durch diese Anlage gilt das Museum nicht nur in der brandenburgischen Museumslandschaft als innovative Besonderheit. Gemeinsam mit den Glasfenstern der St.-Marien-Kirche in Frankfurt (Oder), dem Heiligen Grab in Görlitz sowie den Zittauer Fastentüchern zählt das Museum Himmlisches Theater zudem zu einer Reihe bedeutender Sakralmuseen an Oder und Neiße.

Abschließende Gesamtrestaurierung

In drei Restaurierungsabschnitten konnten bisher drei von fünf Bühnenbildern und drei Szenen des Figurenbestandes der Neuzeller Passionsdarstellungen konserviert werden. Im abschließenden vierten Restaurierungsabschnitt werden zwölf Szenen und zwei Bühnenbilder restauratorisch bearbeitet. Neben den zwei nun ausgestellten Szenen arbeiten die Fachrestaurator*innen derzeit am Bühnenbild „Palasthof“ und fünf weiteren Szenen: „Gebet Jesu am Ölberg“, „Jesus vor Herodes“, „Geißelung Jesu“, „Dornenkrönung Jesu“, „Ecce homo“. Der Abschluss dieser ersten Phase ist 2023 vorgesehen und endet mit dem Aufbau des Bühnenbildes „Palasthof“ im Museum in Neuzelle. In der zweiten Bearbeitungsphase wird bis 2025 das Bühnenbild „Kalvarienberg“ zusammen mit den restlichen fünf Figurenszenen konserviert.

Die Gesamtkosten des abschließenden vierten Restaurierungsabschnitts belaufen sich auf 795.000 € und erstrecken sich über einen Zeitraum von fünf Jahren (2021 bis 2025). Die Maßnahmen werden ermöglicht durch die Förderungen der BKM, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung mit der Sparkasse Oder-Spree und des MWFK und werden durchgeführt vom BLDAM zusammen mit der Stiftung Stift Neuzelle.

Ziel der Konservierungsmaßnahmen

Mit der Restaurierung des gesamten restlichen Bestandes wird es möglich, im musealen Betrieb jährlich eine neue Szene der Passionsgeschichte zu zeigen.

Wesentliches Ziel des Konservierungskonzeptes ist es, den weiteren Verfall des Ensembles mit möglichst minimalen Eingriffen in die originale Substanz aufzuhalten. Alle konservatorischen Bemühungen beruhen darauf, den weitgehend „unberührten“ Zustand mit seinem unverfälscht überlieferten Charakter soweit wie möglich zu bewahren. Von provisorischen Stabilisierungsmaßnahmen an den Spannrahmen und Aufspannungen sowie einer rückseitigen Holzschutzmittel-Imprägnierung abgesehen, war in den vergangenen Jahrhunderten keine umfassende restauratorische Bearbeitung vorgenommen worden. Über den reinen Substanzerhalt hinaus macht die Konservierung ein Aufstellen der Passionsdarstellungen möglich und diese so als Bühnenapparat wieder erlebbar. Daher müssen alle Bildträger und Malschichtflächen ausreichend konsolidiert werden, um zukünftige Transporte und Montagen verlustfrei durchführen zu können. Mit den restauratorischen Maßnahmen wird das sakrale Gesamtkunstwerk europäischen Ranges gesichert und kann der Öffentlichkeit dauerhaft präsentiert werden.

Pressebilder: https://www.stift-neuzelle.de/presse/pressebilder