Steigende Besucherzahlen, innovative Ausstellungen und partizipative Projekte - Ministerin Schüle: "Arbeit der Brandenburgischen Gedenkstätten nie so wertvoll wie heute"
- Erschienen am - PresemitteilungMit Sonderausstellungen, Gedenk-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, neuen digitalen und partizipativen Angeboten und dem Ausbau der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz möchten die brandenburgischen Gedenkstätten im laufenden Jahr das kritische Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft stärken. Das Jahresprogramm der Stiftung haben Kulturministerin Manja Schüle und die stellvertretende Direktorin der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Andrea Genest, heute in Oranienburg gemeinsam mit Astrid Ley, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel, Ines Reich, Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße Potsdam, und Andreas Weigelt, Leiter der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz, vorgestellt.
Zu den Vorhaben des Jahres 2024 gehören zum Beispiel eine partizipative Ausstellung über den im Rahmen der NS-Euthanasie ermordeten Künstler Paul Goesch in Brandenburg an der Havel, die Europäische Sommer-Universität Ravensbrück zum Thema Täterschaft, eine „Intervention“ zu einer Dauerausstellung in der Gedenkstätte Sachsenhausen und ein neues digitales Bildungsangebot zur Repressionspraxis der sowjetischen Besatzungsmacht. In der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz soll mit dem Ausbau der im vergangenen Jahr in die Stiftung aufgenommenen Gedenkstätte begonnen werden, der Im Jahr 2026 abgeschlossen sein soll.
Wissenschafts- und Kulturministerin Manja Schüle:
„Wahrscheinlich war die Arbeit der Brandenburgischen Gedenkstätten nie so wertvoll wie heute: An den historischen Orten in Ravensbrück oder Sachsenhausen werden uns die grauenvollen Dimensionen des nationalsozialistischen Rassenwahns und Völkermordes vor Augen geführt. Doch auch in den Gedenkstätten ist seit dem Hamas-Terror die Zahl antiisraelischer Provokationen und antisemitischer Vorfälle gestiegen – das macht mich traurig und wütend. Hoffnungsvoll stimmen mich Tausende von Menschen, die sich in den vergangenen Wochen verstärkt Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus entgegenstellen. Mein Dank gilt den engagierten Beschäftigten der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die mit viel Empathie, exzellentem historischen Rüstzeug und innovativen Angeboten Brandenburgs Gedenkstätten zu pluralistischen Orten und bedeutsamen zeithistorischen Museen entwickelt haben. Und natürlich werden wir als Land die Stiftung bei ihrer wertvollen Arbeit auch künftig unterstützen.“
Die stellvertretende Stiftungsdirektorin Andrea Genest sagte:
„Nach einer Steigerung der Besuchszahlen auf 500.000 in der Gedenkstätte Sachsenhausen und 80.000 in Ravensbrück im vergangenen Jahr rechnen wir auch in diesem Jahr mit weiteren Zuwächsen. Angesichts dessen und der notwendigen Weiterentwicklung der Gedenkstätten auf allen Ebenen für die künftigen Herausforderungen in politisch angespannten Zeiten sind wir auf nachhaltige Unterstützung angewiesen. Wir sind Bund und Land für die Aufwüchse, die wir trotz der schwierigen Haushaltslage in den letzten Jahren erhalten haben, sehr dankbar. Dennoch ist die finanzielle Situation in den Gedenkstätten weiterhin ausgesprochen eng. Dafür sind in erster Linie erhebliche Kostensteigerungen im Umfang von voraussichtlich rund 400.000 Euro in den Bereichen Energie, Wachschutz, Reinigung verantwortlich. Auch war es notwendig und richtig, die Honorare der freien Guides zum 1. Januar 2024 zu erhöhen, was Mehrkosten von rund 40.000 Euro verursacht. Dies hat zur Folge, dass Projekte wie Ausstellungen, besondere Bildungsformate oder Veranstaltungen weitgehend mit Drittmitteln finanziert werden müssen. Betroffen ist auch die Vermittlungsarbeit. Aufgrund zu weniger Personalstellen in den Bildungsabteilungen aller Gedenkstätten, fehlender Räumlichkeiten sowie begrenzter Mittel für selbständige Honorarkräfte mussten weiterhin zahlreiche Anfragen, insbesondere von Schulklassen, für qualitative pädagogische Programme abgelehnt werden. In der Gedenkstätte Sachsenhausen betraf dies im vergangenen Jahr rund 35 Prozent der Anfragen. Hinzu kommt ein Finanzbedarf von rund 150 Mio. Euro, der für die Umsetzung der Ende 2022 verabschiedeten Zielplanungen für Sachsenhausen und Ravensbrück in den nächsten 15 bis 20 Jahren erforderlich ist. Damit die Gedenkstätten auch zukünftig wichtige Gedenk- und innovative zeithistorische Lernorte bleiben, müssen die historischen Gebäude erhalten, die Bedingungen für die Vermittlungsarbeit und die Sammlungen verbessert und die teils 25 Jahre alten Ausstellungen dringend erneuert werden. Wir appellieren an die Landes- und Bundesregierung sowie an die Parlamente, uns bei dieser Kraftanstrengung weiter zu unterstützen“.
Weiter sagte sie:
„In der Gedenkstätte Ravensbrück werden wir im Rahmen der Veranstaltungen zum Jahrestag der Befreiung Mitte April eine Ausstellung eröffnen, in deren Mittelpunkt die Graphic Novel „Die Farbe der Erinnerung“ von Barbara Yelin über die Geschichte von Emmie Arbel steht, die als Kind das KZ Ravensbrück überlebte. Der Band ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man junge Menschen an dieses sperrige Thema heranführen kann. Die diesjährige Sommer-Universität Ravensbrück wird sich mit der Täterschaft im Nationalsozialismus beschäftigen, einem Thema, das erst seit 20 Jahren in den KZ-Gedenkstätten dargestellt wird“,
Astrid Ley, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen:
„Im vergangenen Jahr konnten in der Gedenkstätte Sachsenhausen erstmals mehr als 500 Studientage mit Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden. Bei ausreichenden Kapazitäten hätten es noch deutlich mehr sein können. Anders als bei einer Führung werden die Teilnehmenden dabei selbst aktiv, indem sie sich mit Objekten, Themen und Biografien auseinandersetzen und über ihre Erfahrungen diskutieren. Mit zwei partizipativen Projekten wollen wir die Gedenkstättenarbeit stärker für Betroffene und Interessierte öffnen. Das Projekt ‚Welche Stimme haben wir?‘ richtet sich an Nachkommen ehemaliger KZ-Häftlinge und lädt diese ein, sich aktiv in die Arbeit der Gedenkstätte einzubringen. Bei dem Projekt ‚Wir intervenieren‘ versehen die Teilnehmenden den Ausstellungsraum zur Geschichte der Sinti und Roma im KZ Sachsenhausen in der 2004 eröffneten Dauerausstellung ‚Medizin und Verbrechen‘ mit kritischen Anmerkungen und neuen Perspektiven.“
Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel:
„Mit unserem Ausstellungsprojekt über den Künstler Paul Goesch, der 1940 in der Euthanasie-Tötungsanstalt in Brandenburg ermordet wurde, erweitern wir den partizipativen und inklusiven Schwerpunkt unserer Arbeit. Rund 20 ehrenamtliche Kuratorinnen und Kuratoren – Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und verschiedener Altersstufen mit und ohne Lernschwierigkeiten – bereiten diese Ausstellung über Leben und Werk von Paul Goesch gemeinsam mit professionellen Ausstellungsmachern vor. Wir sind gespannt auf das Ergebnis, das ab dem 12. Juli im Stadtmuseum Brandenburg an der Havel zu sehen sein wird.“
Ines Reich, Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße Potsdam:
„Die Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam erinnert mit einer Fotoausstellung an den Abzug der letzten russischen Truppen aus dem ehemaligen ‚Militärstädtchen Nr. 7‘ mit dem zentralen Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Militärspionageabwehr vor 30 Jahren. Dieses Datum markiert auch den Beginn des bürgerschaftlichen Engagements für diesen eindrücklichen Ort sowjetischer Repression, das schließlich 2008 zur Gründung der heutigen Gedenkstätte führte. Der Zusammenarbeit mit verschiedenen osteuropäischen Archiven verdanken wir viele neue Quellenfunde zu Häftlingen aus der Sowjetunion. Über diese größte Häftlingsgruppe des Gefängnisses in der Leistikowstraße ist bisher wenig bekannt. Besonders dankbar sind wir für die große Unterstützung, die wir seitens des Staatsarchivs in Kiew erfahren.“
Andreas Weigelt, Leiter der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz:
„Dem bevorstehenden Ausbau der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz zu einer voll funktionsfähigen Gedenkstätte ist ein jahrelanger, teils mühsamer Prozess vieler Beteiligter vorausgegangen, diesem bedeutendsten Ort des Holocaust in Brandenburg die ihm gebührende Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Dabei ist besonders das unermüdliche Engagement des Zentralrats der Juden in Deutschland hervorzuheben. Gerade im Süden Brandenburgs ist dieser Ort der historisch-politischen Bildungsarbeit besonders wichtig. Wir sind zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr mit der Umsetzung des Projekts beginnen können.“
Weitere Informationen: www.stiftung-bg.de.