Senckenbergs Holzweg: Neues Forschungsgebäude in Müncheberg
- Erschienen am - PresemitteilungHeute feierten zahlreiche geladene Gäste das Richtfest zum neuen Senckenberg-Forschungsgebäude in Müncheberg in Anwesenheit von Tobias Dünow, Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Der im Rahmen des „Innovationsprojektes SDEI Müncheberg“ entstandene Neubau zeichnet sich durch die Kombination aus ressourcenschonender Holzbauweise und ausgeklügelter Haustechnik aus – das Gebäude wird so energieautark. Bezugsfertig wird der dreistöckige Neubau für die Senckenberg-Insektenforscher*innen Ende dieses Jahres.
Holz zählt zu den ältesten Baumaterialien der Menschheit – schon aus der Jungsteinzeit sind Überreste hölzerner Pfahlbauten bekannt. Heute zählt dagegen Zement zu den gängigsten Baustoffen. Doch dessen Erzeugung verbraucht große Mengen an fossilen Rohstoffen und schadet dem globalen Klima: Bei der Herstellung von einer Tonne Zement werden rund 600 Kilogramm CO2 ausgestoßen. Das im Rahmen des „Innovationsprojektes SDEI Müncheberg“ neu erbaute Senckenberg-Forschungsgebäude setzt daher auf eine ökologisch und energetisch optimierte sowie ressourcenschonende Bauweise. Dies geschieht auf der Basis des einzigen nachwachsenden Baustoffs, der eine positive CO2-Bilanz aufweist: massives unbehandeltes Holz, gewonnen aus nachhaltiger und heimischer Forstwirtschaft.
Staatssekretär Tobias Dünow:
„Mit dem Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut ist die Insektenforschung im Land Brandenburg zu Hause – und bekommt nun in Müncheberg einen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Neubau: hochmodern, emissionsfrei, vorbildlich nachhaltig. Das SDEI hat für die Forschung bedeutende Insekten-Sammlungen samt einer einzigartigen entomologischen Spezialbibliothek – als national wertvolles Kulturgut eingetragene Schätze, die nun hervorragend ausgestattete ‘Schatzkammern‘ bekommen. Und mit dem Neubau werden auch die Arbeitsbedingungen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbessert, die an globalen Problemen wie dem rasanten Verlust der Artenvielfalt bei Insekten, sowie an Lösungen, diesen Prozess aufzuhalten, forschen. Ich freue mich sehr, dass das SDEI und der Senckenberg-Standort in Müncheberg Dank des neuen Forschungsgebäudes weiter gestärkt werden. Allen am Bau Beteiligten viel Erfolg und gutes Gelingen!“
Das neue, rund 25 Meter lange, 15 Meter breite und 11 Meter hohe Forschungsgebäude, in dem Insektenkundler*innen zukünftig auf drei Etagen in hochmodernen Büros, Sammlungsräumen und Laboren ihrer Forschung nachgehen, setzt oberirdisch vollständig auf naturbelassene, leimfreie und massive Holzbautafelbauweise. Rund 1.000 Kubikmeter Holz werden zur Errichtung der Wände, Decken, Treppen und sogar des Aufzugschachtes verwendet. In Verbindung mit einer – bisher in Europa einmaligen – Kombination von drastisch reduzierter und innovativ angewendeter Haustechnik, entsteht so bis November 2023 ein emissionsfreies und energieautarkes Gebäude mit bisher nicht erreichten geringen Unterhalts- und Betriebskosten.
Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Prof. Dr. Klement Tockner erläutert:
„Senckenberg verlässt mit dem Innovationsprojekt den üblichen Weg, ein Gebäude in Stahlbeton und Mauerwerk zu errichten. Damit lassen wir eine Bauweise hinter uns, die für knapp die Hälfte aller weltweiten CO2-Emissionen, für den Verbrauch endlicher Ressourcen sowie die Entstehung von mehr als 60 Prozent des weltweiten Abfalls verantwortlich ist. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude, welches die Energienormen voll erfüllt, werden in unserem Neubau bereits in einem Zeitraum von nur 50 Jahren über 95 Prozent der anderenfalls anfallenden Umweltbelastungen vermieden. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung wird so zur Vorreiterin des ökologischen und nachhaltigen Bauens im Sektor Forschung und Öffentlicher Dienst.“ Dr. Martin Mittelbach, Administrativer Direktor bei Senckenberg fügt hinzu: „Unter Leitung unserer eigenen Bauabteilung sowie der Mitwirkung einer über 30-köpfigen Planungsgruppe entsteht in Müncheberg ein Wissenschaftsgebäude mit Vorbildcharakter. Dies ist auch maßgeblich allen Mitstreiter*innen in den fördernden Ministerien des Bundes und des Landes Brandenburg sowie der Aufgeschlossenheit der Leitung und der Belegschaft an unserem Standort Müncheberg zu verdanken.“
Nur etwa 70 Prozent der sonst benötigten Haustechnik werden in dem neuen Forschungsgebäude eingesetzt. Eingespart werden Heizkörper und Fußbodenheizung, Dämmung und Klimaanlage. Das Haus wird laut Planung bei Außentemperaturen zwischen Minus 20 und Plus 40 Grad Celsius angenehme und stabile Innenraumtemperaturen zwischen 20 und 24 Grad Celsius einhalten – ohne aufwändige Regelungstechnik.
Das neue Wissenschaftsgebäude bietet den Insekten-Expert*innen des Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg zahlreiche Räume auf die sie bisher – in dieser Ausstattung – bei der Bestimmung und Beschreibung von neuen Insektenarten, der Erforschung der Verwandtschaften, der Interaktionen mit der Umwelt und der Verbreitungsdynamik von Insekten, verzichten mussten. Zusätzliche rund 150 Quadratmeter Bürofläche, 240 Quadratmeter für die entomologische Alkohol-Sammlungen und etwa 270 Quadratmeter für Labore, darunter zwei spezielle DNA-Labore, um empfindliches, altes Erbgut zu sequenzieren, stehen den knapp 30 Senckenberg-Beschäftigen am Standort Müncheberg zukünftig zur Verfügung. Auch um dem dramatischen Insektensterben mit zügigen Lösungsoptionen – entwickelt mit verschiedenen Partnerinstitutionen – entgegenzuwirken.
„Rund um unser neues Holzgebäude werden wir eine naturnahe und insektenfreundliche Umgebung mit regionalen, bei Schmetterlingen und Co beliebten Pflanzen gestalten. Dabei kommen auch einige, beim Aushub der Baugrube freigelegte, Findlinge zum Einsatz. Auf verschiedenen Tafeln werden wir zudem künftige Besucher*innen über die Maßnahmen zur Förderung der regionalen Insektenvielfalt sowie über die geologische Vergangenheit des Standortes informieren“,
berichtet Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg.
Der mit der Senckenberg-Bauabteilung in Frankfurt am Main zusammenarbeitende Architekt Joachim Fritz Schneider, Bauherrenvertreter und Gesamtprojektsteuerer erzählt:
„Wir mussten für das Gebäude zahlreiche Befreiungen von den auf konventionelle Bauweisen orientierte Brandschutz- und Wärmeschutzgesetzen beantragen. Beim erforderlichen Brandschutz konnten wir mit unserem Baumaterial Holz die brandschutztechnischen Auflagen für den Bau sogar für eine höhere Gebäudeklasse problemlos erfüllen. Im Brandfall verkohlt bei stärkerem Massiv-Holz nämlich häufig nur die oberste Schicht der beflammten Seite und es bildet sich eine Schutzschicht, welche ein tieferes Eindringen des Feuers in das Bauwerk verhindert. Massivholzelemente erreichen daher oft weit höhere Feuerwiderstandszeiten als Beton. Und Holz transportiert im Gegensatz zu beispielsweise Stahlbeton eine auf der beflammten Seite entstehende Hitze nicht so schnell und intensiv auf die Rückseite der Wand. Nach nur einer Stunde ist die Innenseite einer, von außen mit Temperaturen von 1000 Grad Celsius brennenden, Betonwand bereits rund 600 Grad Celsius heiß. Bei gleichen Bedingungen zeigt eine gleich starke Massivholzwand, durch ihre natürliche, langsame Temperaturweiterleitung, nur eine Oberflächenerwärmung von weniger als 3 Grad Celsius!“
Der Inbetriebnahme des Gebäudes, am Ende des Jahres, wird ein zweijähriges Monitoring folgen, das sämtliche spezifischen bauphysikalischen Gebäudedaten ermittelt und – für folgende innovative Neubauten – als Grundlage für weitere Verbesserungen dient.
Das „Innovationsprojekt SDEI Müncheberg“ entsteht unter maßgebender Beteiligung von zahlreichen Architektur- und Ingenieurbüros aus Deutschland und Österreich. Für die Holzbauweise sind vorrangig der Bauteilhersteller THOMA und das Haustechnikbüro FIN (Future Is Now) unter Mitarbeit des Bauphysikbüros Zauner, alle aus dem Salzburger Land, sowie des Architekturbüros PASD aus Hagen verantwortlich.
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft und erforscht seit über 200 Jahren weltweit das „System Erde“ – in der Vergangenheit, der Gegenwart und mit Prognosen für die Zukunft. Wir betreiben integrative „Geobiodiversitätsforschung“ mit dem Ziel die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Zudem vermittelt Senckenberg Forschungsergebnisse auf vielfältige Art und Weise, vor allem in den drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden. Die Senckenberg Naturmuseen sind Orte des Lernens und Staunens und sie dienen als offene Plattformen dem demokratischen Dialog – inklusiv, partizipativ und international.
Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.