Brandanschlag auf die jüdischen Baracken in der Gedenkstätte Sachsenhausen vor 30 Jahren
- Erschienen am - PresemitteilungVor 30 Jahren, in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1992, verübten Rechtsextremisten einen antisemitischen Brandanschlag auf die jüdischen Baracken 38 und 39 in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Er fand am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch Haschana statt und zehn Tage nach einem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin in der Gedenkstätte. Der Brandanschlag, der internationale Empörung auslöste, reihte sich in eine Kette rechtsextremer, ausländerfeindlicher und antisemitischer Anschläge in Deutschland in den ersten Jahren nach der deutschen Einheit ein.
Stiftungsdirektor Axel Drecoll erklärte heute in Oranienburg anlässlich des 30. Jahrestages des Brandanschlags:
„Der verabscheuungswürdige Brandanschlag auf die jüdischen Baracken zeigt deutlich, dass Antisemitismus und Rassismus eine bleibende Bedrohung für unsere freiheitliche und menschenrechtsbasierte Demokratie darstellen. Bis heute kommt es in Sachsenhausen zu gezielten Angriffen – von der Zerstörung von Informationstafeln bis zu Verharmlosungen oder Leugnungen. Zuletzt haben 2018 Teilnehmer einer Gruppe im Umfeld der AfD während einer Führung die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert. Die Gedenkstätten sind wichtige Orte des historischen Lernens und der demokratischen Selbstvergewisserung im Kampf gegen Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Um Angriffe abzuwehren und zugleich ihre diskursive und emotionale Kraft entfalten zu können, benötigen die Gedenkstätten die dauerhafte Unterstützung und Solidarität durch Politik und Zivilgesellschaft.“
Kulturministerin Manja Schüle:
„Es ist nicht vorbei – weder das Gedenken noch das Erinnern, weder die Empathie mit den Opfern noch die Auseinandersetzung mit dem grausamsten Teil unserer Geschichte. Die jüngsten antisemitischen Übergriffe zeigen: Auch 30 Jahre nach dem Brandanschlag auf die jüdischen Baracken in der Gedenkstätte Sachsenhausen ist der Antisemitismus keinesfalls Geschichte. Es ist nicht vorbei. Wir brauchen weiterhin Wissen und Aufklärung – und authentische Orte wie die Gedenkstätte Sachsenhausen, ein Ort des Austauschs, des Gedenkens und der internationalen Begegnungen. Es ist nicht vorbei – angesichts von Antisemitismus, Alltagsrassismus und Ausgrenzung brauchen wir mehr denn je das persönliche Gespräch, brauchen wir Menschlichkeit und Miteinander.“
In den Tagen nach der Tat besuchten zahlreiche Bundes- und Landespolitiker, unter ihnen der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe, Bundesaußenminister Klaus Kinkel und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, sowie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, die Brandruine. Tausende Menschen, die sich an mehreren Protestkundgebungen in der Gedenkstätte beteiligten, bekundeten ihre Solidarität mit der Gedenkstätte und ihre Ablehnung von Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Bei den Tätern handelte es sich um eine Gruppe von 15 bis 20 Personen aus dem regionalen Neonazi-Milieu. Nach einer Kette von Pannen und Versäumnissen von Polizei und Justiz wurden 1995 schließlich zwei Tatbeteiligte zu zweieinhalb bzw. drei Jahren Haft verurteilt. Die Haupttäter konnten nie ermittelt werden.
In den Baracken 37, 38 und 39 des Kleinen Lagers pferchte die SS zwischen dem Novemberpogrom 1938 und der Deportation aller jüdischen Häftlinge nach Auschwitz im Oktober 1942 fast ausschließlich jüdische Häftlinge ein. Im Zuge der Errichtung der 1961 eröffneten Nationalen Mahn- und Gedenkstätte der DDR wurden die Baracken 38 und 39 aus Originalteilen wiederaufgebaut. Bis zum Brandanschlag beherbergten sie das „Museum des Widerstandskampfes und der Leiden jüdischer Bürger“.
Anstelle des beim Brandanschlag vollständig zerstörten A-Flügels der Baracke 38 entstand ein moderner Museumsbau. 1997 wurde hier eine Dauerausstellung zur Geschichte der jüdischen Häftlinge des KZ Sachsenhausen eröffnet. In der bei dem Brandanschlag beschädigten Baracke 39 wird seit 2001 eine Ausstellung zum ‚Alltag‘ der Häftlinge gezeigt. Bei der Sanierung der denkmalgeschützten Gebäude wurden bewusst Spuren des Brandanschlages erhalten. Beide Museen sollen in den nächsten Jahren grundlegend überarbeitet werden.
Weitere Information: www.sachsenhausen-sbg.de