Filme, Zeitzeugengespräche, Ausstellungen: Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung
- Erschienen am - PresemitteilungFilmreihe, Zeitzeugengespräche, Wanderausstellung, Science Slam: Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager in Brandenburg finden zahlreiche Veranstaltungen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) statt. Dazu werden 17 Überlebende aus zahlreichen Ländern erwartet. Das umfangreiche Programm zum Jahrestag haben heute Kultur- und Wissenschaftsstaatssekretär Tobias Dünow und SBG-Direktor Prof. Dr. Axel Drecoll gemeinsam mit Dr. Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Dr. Astrid Ley, Leiterin der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, und Dr. Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätten in Brandenburg an der Havel, vorgestellt. Die Veranstaltungen in den jeweiligen Gedenkstätten stehen im Zeichen von Begegnung, Partizipation und Information. Dr. Katrin Grüber, Enkelin des KZ Sachsenhausen-Häftlings Probst Heinrich Grüber, hat über die Arbeit des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen berichtet, deren Vorsitzende sie ist. Die Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung fördert das Kulturministerium mit 390.000 Euro.
Kultur- und Wissenschaftsstaatssekretär Tobias Dünow:
„Vor 80 Jahren wurde das nationalsozialistische Deutschland besiegt, der blutigste Krieg der Geschichte beendet und unzählige Menschen aus den Konzentrationslagern in ganz Europa befreit. Der Holocaust bleibt aufgrund seiner systematischen Ausführung, seiner unvorstellbaren Unmenschlichkeit einmalig. Der Gegenentwurf zum NS-Totalitarismus sind der freiheitliche Verfassungsstaat, die plurale Gesellschaft und die moderne Demokratie mit Minderheitenschutz. Doch regen sich heute wieder Stimmen, die diese Errungenschaften hinterfragen. Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus nehmen zu, während das Wissen über den Holocaust schwindet. Umso wichtiger ist die Arbeit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die mit hoher fachlicher Kompetenz einige der wichtigsten historischen Orte in Brandenburg betreut. Dafür möchte ich mich bei allen Beschäftigten ausdrücklich bedanken. Denn: Einen Schlussstrich unter Erinnerungskultur und Aufklärung darf und wird es nicht geben!“
Prof. Dr. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten:
„Es ist für uns eine große Ehre und Freude, dass zum 80. Jahrestag der Befreiung 17 Überlebende ihr Kommen angekündigt haben. Sie sind noch im hohen Alter bereit, die Strapazen weiter Reisen auf sich zu nehmen. Sie tun das, um an den Orten, an denen sie kaum vorstellbares Leid erfahren mussten, von der KZ-Haft und ihren Lebensgeschichten zu berichten. Die Überlebenden reichen uns die Hand, auch, um uns daran zu erinnern, wie zerbrechlich unsere Demokratie ist; wie wenig selbstverständlich die unverbrüchliche Geltung von Menschenrechten, die Akzeptanz von Vielfalt und ein respektvolles und solidarisches Miteinander ohne Ansehen von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht sind. Die historische Aufklärungsarbeit in allen Gedenkstätten der Stiftung ist diesen Grundsätzen verpflichtet, und insbesondere das 80. Jahr der Befreiung vom nationalsozialistischen Verbrechensregime ist uns Ansporn und Verpflichtung zugleich, mit allem Nachdruck für diese Ziele einzutreten.“
Zu den Vorhaben des Jahres 2025 gehören zum Beispiel eine Filmreihe zur Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen in Berlin, Zeitzeugengespräche sowie ein Science Slam zu den neueren Forschungen zum KZ Sachsenhausen und der Inspektion der Konzentrationslager in Oranienburg. 80 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erinnern die Stiftung und die Gedenkstätten auch an die Einrichtung des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen und des sowjetischen Untersuchungsgefängnisses in der Potsdamer Leistikowstraße im Jahr 1945.
Dr. Astrid Ley, Leiterin der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen:
„Besonders freuen wir uns, dass unter den Gästen – zum ersten Mal seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs – auch wieder ein Überlebender aus der Ukraine sein wird. Der 100-jährige Nikolai Urban aus Charkiw, der noch nie in der Gedenkstätte war und derzeit in der Schweiz lebt, musste jahrelang KZ-Zwangsarbeit für die Deutsche Maschinen AG leisten, bevor er im April 1945 in Falkensee zur Roten Armee überlaufen konnte. Auch um ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und den dortigen Überlebenden der NS-Verfolgung zu setzen, haben wir ein öffentliches Zeitzeugengespräch mit Nikolai Urban in Berlin geplant, bei dem es sowohl um seine KZ-Erfahrungen als auch um die heutige Lage in der Ukraine gehen wird.“
Die Gedenkstätte Sachsenhausen erwartet zu den Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung sechs Überlebende des KZ Sachsenhausen, die aus Israel, Polen und der Ukraine kommen. Die drei Frauen und drei Männer im Alter zwischen 90 und 100 Jahren sind als Heranwachsende von den Nationalsozialisten in das KZ Sachsenhausen und seine Außenlager verschleppt worden. Für den Neubau eines Besucherzentrums und eines Seminargebäudes wird im April ein Gestaltungswettbewerb ausgelobt.
Dr. Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück:
„Wir freuen uns, dass Jahr für Jahr mehr Menschen zu den Jahrestagen der Befreiung nach Ravensbrück kommen, darunter viele Angehörige. In vielen Familien ist der Staffelstab der Erinnerung an die nachfolgenden Generationen übergeben worden. Sie bilden mit ihren Erfahrungen eine Brücke zwischen den Erinnerungen der ehemaligen Häftlinge und der Nachkriegsgesellschaft bis in unsere Gegenwart. Es sind heute insbesondere die Angehörigen, die von den Folgen der KZ-Haft berichten können, die die Familien bis heute nachhaltig prägen. Der Austausch über diese Erfahrungen und über das Weitertragen der Erinnerung steht im Mittelpunkt des Internationalen Forums der zweiten und dritten Generation mit mehr als 120 Teilnehmenden aus aller Welt. Auch weil die humanitäre Betreuung von Betroffenen mit dem Abschied von den Überlebenden nicht endet, hat die Arbeit der Gedenkstätten eine große Bedeutung für Gegenwart und Zukunft.“
In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück werden elf Überlebende und zahlreiche Nachkommen zum 80. Jahrestag der Befreiung erwartet, die an einem Generationenforum teilnehmen. Von August bis Oktober 2025 wird eine künstlerische Intervention zur bislang historisch kaum erforschten Textilgeschichte des Frauen-Konzentrationslagers zu sehen sein.
Dr. Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätten in Brandenburg an der Havel:
„Zum 80. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg-Görden möchten wir an die bedeutende Rolle erinnern, die Justiz und Strafvollzug im nationalsozialistischen Terrorsystem einnahmen. Die Justiz war nicht nur in hohem Maße an der Verfolgung und Unterdrückung des Widerstandes beteiligt, sondern auch an der Durchsetzung rassistischer und rassehygienischer Ziele. Justizgefangene wurden in großem Umfang an die Konzentrationslager überstellt, die Todesstrafe auf immer neue Straftatbestände ausgeweitet. Diese Perversion der Justiz und des Rechts macht uns den Wert unseres demokratischen Rechtsstaates und einer unabhängigen Justiz bewusst. Dies zu vermitteln, ist wesentlicher Bestandteil unserer Gedenkstättenarbeit.“
In der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden wird am 27. April an die Befreiung der Häftlinge vor 80 Jahren erinnert. Bei der Veranstaltung werden Angehörige von Inhaftierten verschiedener Haftgruppen sprechen und das breite Spektrum der NS-Justizopfer sichtbar machen. Außerdem findet eine Veranstaltungsreihe mit Filmen, Buchvorstellungen und Gesprächen statt.
Dr. Katrin Grüber, Enkelin des KZ Sachsenhausen-Häftlings Probst Heinrich Grüber und Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen e.V.:
„Mein Großvater Probst Heinrich Grüber, Mitglied der Bekennenden Kirche, war Häftling in Sachsenhausen und Dachau. Er wurde 1943 entlassen und war nach dem Krieg noch viele Jahrzehnte aktiv. Es sind nur noch sehr wenige Jahre, da wird kein Überlebender mehr nach Sachsenhausen kommen können. Aber es gibt Menschen, die wie ich einen familiären Bezug zu diesem Ort haben. In diesem Jahr laden der Förderverein der Gedenkstätte und das Internationale Sachsenhausen-Komitee zu einem Treffen ein, damit sich Nachkommen austauschen – darüber, ob und wie in der Familie über das Thema gesprochen wurde und welche Bedeutung es für sie hat. Wir hoffen und erwarten, dass Kontakte entstehen, die über den Tag hinausreichen, und dass es in jedem Jahr ein solches Treffen gibt. Denn wir sind wichtig. Nein, wir sind keine Zeitzeugen. Aber wir haben anders als alle anderen einen familiären Bezug zu den Opfern der NS-Zeit. Wenn wir über Häftlinge sprechen, dann sprechen wir über unseren Vater, Großvater oder Großonkel, über unsere Mutter, Großmutter oder Großtante.“
Der evangelische Theologe Heinrich Grüber (1891–1975) war Leiter der christlichen Jugendbildungsanstalt in Templin in der Uckermark und seit 1934 Pfarrer in Berlin-Kaulsdorf. Er schloss sich der Bekennenden Kirche an, eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen während des Nationalsozialismus. Im Jahr 1938 übernahm er den Aufbau und die Leitung der „Kirchlichen Hilfsstelle für evangelische Nichtarier“, die rassisch verfolgte Menschen bei der Auswanderung unterstützte und illegale Hilfe für Verfolgte organisierte. Im Dezember 1940 wurde Heinrich Grüber festgenommen, in den KZ Sachsenhausen und Dachau inhaftiert und schwer misshandelt. Im Juni 1943 wurde er aus der Haft entlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er die Evangelische Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte und war Probst an der Berliner St. Marienkirche.
Weitere Informationen zum Jahresprogramm in der Anlage sowie unter www.stiftung-bg.de.