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Begehung des Jüdischen Friedhofs Potsdam

- Erschienen am 09.11.2023 - Presemitteilung 463
Andacht auf dem Jüdischen Friedhof auf dem Pfingstberg

Begehung des Jüdischen Friedhofs Potsdam – Wissenschafts- und Kulturministerin Manja Schüle, Potsdams Bürgermeister Mike Schubert und Violinist Daniel Hope persönlich vor Ort – Spendenaufruf zum Erhalt des Friedhofs – Nie wieder ist jetzt!

Die Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam e.V. sowie der neugegründete Förderverein Jüdischer Friedhof Potsdam haben heute, am 09. November 2023, anlässlich des Gedenktags der Opfer des Nationalsozialismus zur Begehung des Jüdischen Friedhofs in Potsdam eingeladen.

Der 1743 angelegte Jüdische Friedhof in Potsdam dient mit einer Unterbrechung von 50 Jahren im 20. Jahrhundert kontinuierlich der Jüdischen Gemeinde zu Potsdam für die Bestattung nach jüdischem Ritus. Mit seinen historischen Grabanlagen und den Friedhofsbauten ist der Friedhof das besterhaltene Zeugnis jüdischer Sepulkralkultur im Bundesland, steht seit 1977 unter Denkmalschutz und ist seit 1999 Teil des UNESCO-Kulturerbes.

Langjährige Vernachlässigung und immer wiederkehrende gezielte Zerstörungen haben jedoch zu einer Vielzahl an Substanzschädigungen und materiellen Verlusten geführt. Die Trauerhalle muss saniert werden und auch eine Erweiterung des Geländes ist eine dringende Notwendigkeit.

Um eine verbesserte Pflege und Erhaltung des Friedhofs zu gewährlisten haben daher die Initiatoren der Veranstaltung zur Begehung und zum Spendenaufruf gebeten.

Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke sagte anlässlich der Begehung:

„Der Erhalt und die Pflege jüdischer Traditionen sind für uns heute mehr denn je Auftrag und Verpflichtung. Der Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel zeigt, wie wichtig es ist, sich in aller Entschiedenheit für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen stark zu machen. Das darf auch 85 Jahre nach der Reichspogromnacht nicht vergessen werden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass nicht nur der Friedhof hier in Potsdam wieder genutzt wird, sondern auch in anderen Orten Brandenburgs Gemeindestrukturen entstanden sind und sich jüdisches Leben entwickelt. In Brandenburg gibt es mindestens 57 jüdische Friedhöfe in 50 Kommunen. Das zeigt, dass jüdisches Leben und jüdische Traditionen zu unserem Land gehören.“

Persönlich anwesend auf dem Friedhof war Wissenschafts- und Kulturministerin Dr. Manja Schüle, die in ihrer Rede anlässlich des Gedenktages klare Worte fand:

„Warum erinnern wir jedes Jahr an die Pogrome vom 9. November 1938? Weil es geschehen ist und folglich wieder geschehen kann. Das hat der 7. Oktober 2023 auf tragische Weise gezeigt. Die Umstände mögen sich unterscheiden – doch beiden Gewaltexzessen liegt der blindwütige Hass auf Jüdinnen und Juden zugrunde, die Unfähigkeit zur Empathie, der Wille zu Tod, Zerstörung und Leid. Heute, 85 Jahre nach den Novemberpogromen 1938 und wenige Wochen nach den Terrorangriffen der Hamas, gilt es zusammenzustehen gegen diejenigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben. Zusammenzustehen für ein friedliches Miteinander und ein angstfreies Leben in unserem Land. Denn: Nie wieder ist jetzt.“

Ebenfalls vor Ort war Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam. In seiner Rede unterstrich er klar die immense Bedeutung des Friedhofs, nicht nur für Potsdam, sondern auch in Hinblick auf die deutsche Geschichte:

„Der jüdische Friedhof Potsdams, 1743 angelegt, verkörpert für und in der Landeshauptstadt Brandenburgs das jüdische Ewigkeitsrecht. Die ritenkonforme Bestattung nimmt im jüdischen Glauben eine tragende Säule in der Religionsausübung war. Daher ist es selbstverständlich, dass ein solcher Ort niemals aufgegeben oder gar eingeebnet werden darf. Gerade im Bewusstsein unserer deutschen Geschichte möchte ich das hier und heute noch einmal betonen. Die Übertragung des an den jetzigen Friedhof angrenzenden Flurstücks ist damit letztlich auch ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt des jüdischen Lebens in Potsdam.“

Prominenter Unterstützer des Vorhabens und weltbekannter Violinist Daniel Hope, war ebenso persönlich vor Ort. Er ist mit dem Jüdischen Friedhof in besonderer Weise verbunden, da einer seiner Vorfahren, der erste Rabbiner Potsdams, Michel Hirsch (Jechiel Michel), hier begraben liegt. Bei seinem Besuch sagte er:

“Die Bewahrung unseres jüdischen Erbes und die Erinnerung daran ist mir ein besonderes Anliegen. Ich wünsche mir ebenso, dass wir alle in Frieden und Toleranz miteinander leben können."

Susanne Krause-Hinrichs, Vorstandsmitglied des Fördervereins Jüdischer Friedhof Potsdam und Mitinitiatorin der Veranstaltung zeigte sich entsetzt, wie tagtäglich auf Straßen und im Netz neue antisemitische Hassparolen aufkommen, dass das unermessliche Leid der Opfer des Massakers vom 7. Oktober kaum Mitleid auslöst und auch junge und gebildete Menschen antisemitische Stereotypen nachhängen:

Um diesen Alptraum der Jüdinnen und Juden zu beenden, muss sich Politik - aber vor allem auch die Zivilgesellschaft - dem sich täglich verschärfenden Antisemitismus klar und nachhaltig entgegenstellen. Dies bedarf einer großen gemeinsamen Anstrengung auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

Auch Mitveranstalter und Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Potsdam Evgeni Kutikow sprach in seinem Grußwort die traurige, neue Lebensrealität von Jüdinnen und Juden in Brandenburg an:

Ich hätte damals nie gedacht, dass wir unsere Gemeinde hinter Stacheldraht und Betonklötzen verstecken müssen. Dass wir Angst haben müssen, um unsere Kinder, die in der Schule oder an der Universität als Juden erkannt und ausgegrenzt oder gar bedroht werden.“

Darüber hinaus bedauert es Kutikow zutiefst, dass bis heute noch immer kein Antisemitismusbeauftragter für das Land Brandenburg berufen wurde - ein Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden, der in diesen Tagen mehr denn je gebraucht wird.

Die Gemeinde freut sich jedoch sehr auf die neue Synagoge. Gemeinsam mit der Instandsetzung der Trauerhalle und der Erweiterung des Friedhofs wird so ein Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland gesetzt.

Jede Spende ist eine Hilfe! Spenden können getätigt werden an das Konto der Jüdischen Gemeinde Potsdam:

MBS Potsdam / IBAN: DE42 1605 0000 1000 6163 94 / Stichwort „Trauerhalle“.